Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Narrentod

Titel: Narrentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
portabler Computer.
    An der Wand beweist der Beamte künstlerischen Sachverstand. Oder hat er sich beraten lassen? Immerhin leistet sich der Kanton ein beamtetes Grüppchen von Kunstsachverständigen, die mit ihren Lohnansprüchen die Gelder verzehren, die für Kunst und Künstler reserviert sein sollten. In Geissbühlers Büro handelt es sich um ein paar schöne Originalradierungen bekannter Berner Künstler: ein wilder Fäderema von Rolf Iseli, ein gewichtiger Strahler von Bernhard Luginbühl und eine Art Hirnschlaufe von Markus Raetz.
    Eigentlich weist nichts auf den Arbeitsplatz eines Kriminalisten hin. Mit Ausnahme der uralten, ja, geradezu mittelalterlich anmutenden Handschellen, die zwischen Raetz und Iseli an einem Stahlstift baumeln.
    »In ihnen ließ Gessler den Wilhelm Tell abführen, als dieser es unterlassen hatte, den Hut auf der Stange zu grüßen«, liebt Geissbühler zu kommentieren.
    Ich schaue diskret auf meine Armbanduhr. Jeder Blick ein Genuss. Das fein guillochierte Zifferblatt des kostspieligen Chronografen verhilft jeder Zeigerstellung zu einer Lustposition. Sie täuscht aber nicht darüber hinweg, dass mich Jüre bereits seit einer Viertelstunde erwartet, in gelangweilter Wartehaltung vermutlich, bewaffnet mit Schreibblock und Lippenpomade. Der Hauptmann bemerkt meinen Kontrollblick und zeigt Verständnis. »Herr Feller, fürs Erste haben wir’s. Ich danke für die gute Zusammenarbeit«, beschließt er unsere Aussprache kurzerhand. Damit bin ich entlassen. Dennoch. Auf der Schwelle seines Büros wende ich mich um: »Was hat eigentlich die Befragung der Putzfrau ergeben ?«
    »Eigentümlicherweise scheint zum Zeitpunkt, als Frau Signorelli in der Schlossbergschule putzte, ungewöhnlich viel Betrieb geherrscht zu haben .«
    »Betrieb? Es fand meines Wissens kein Unterricht mehr statt«, wende ich ein.
    »Richtig. Aber gemäß Auskunft von Frau Signorelli sind zwischen 16 und 17 Uhr eine ganze Reihe von Personen unerwartet im Schulhaus aufgetaucht. Es habe damit begonnen, dass Herr Weibel gerade das Schulhaus verließ, als sie zu ihrer Arbeit erschien. Kurz vor vier habe dann der Stadtpräsident persönlich den Kopf durch die Tür gesteckt .«
    »Wissen Sie, was er wollte ?«
    »Er habe sich erkundigt, ob der Fulehung schon eingetroffen sei.
    »Merkwürdig«, finde ich.
    »Mag sein. Danach sei eine rot gewandete Stadthostess herumgestürmt, weil sie sich angeblich vor der Führung einer Gruppe von Chinesen noch schnell einen Schluck Wasser gönnen wollte. Frau Signorelli habe sie zum Lavabo im Garderobenraum geführt und danach im oberen Stockwerk die Räumlichkeiten gefegt. Aber selbst dort habe sie jemanden angetroffen. In einem der Schulzimmer habe ein Schüler der Handelsmittelschule angeblich nachsitzen müssen und eifrig in einem Buch geblättert, das er kurioserweise verkehrt herum gehalten habe .«
    »Ist bekannt, um wen es sich gehandelt hat ?« , frage ich.
    »Nein, noch nicht. Wir werden mit dem Signalement morgen bei der Schulleitung vorsprechen«, informiert Geissbühler.
    »Ich wette, es war Giovanni Righetto .«
    »Warum sind Sie sich da so sicher? Der hatte doch bis kurz vor 16 Uhr den Fulehung begleitet? Wie hätte er danach so rasch auf dem Schlossberg sein können ?«
    »Stimmt auch. Dann vielleicht dieser Stefan?«
    »Stefan Murer ?« , fragt Geissbühler.
    »Genau. Den meine ich .«
    »Unwahrscheinlich. Der geht doch in Buchholz zur Schule«, wendet der Hauptmann ein.
    »Ja, schon. Aber er gilt als Freund von Righetto und nimmt den Rang eines Oberleutnants der Kadetten ein. Wie Ihnen bekannt ist, benutzt der Kadettenverein die Schlossbergschule als Basis. Der Kadettenoffizier hätte also durchaus Zutritt zur improvisierten Garderobe, um beispielsweise dem Fulehung irgendetwas vorbeizubringen .«
    »Herr Feller, kommen Sie mir bitte mit konkreten Hinweisen. Vermutungen kann ich selbst anstellen«, reklamiert der Beamte. Er bringt mich damit etwas in Verlegenheit. Kleinlaut gebe ich zu: »Sie haben recht, Herr Geissbühler. Warten wir ab, was uns die Fakten bringen. Was hat übrigens die Putzfrau sonst noch zu Protokoll gegeben ?«
    »Nach dem Auftritt der durstigen Hostess habe Frau Signorelli ganz deutlich die Schellen des Kostüms gehört. Geräuschvoll habe er sich seiner Verkleidung entledigt und sie auf die Klinkersteine des Korridors geschmissen. Weiter sei ihr nichts mehr aufgefallen. Nur noch, dass jemand ziemlich laut die Eingangstüre zugeknallt habe. Sie habe

Weitere Kostenlose Bücher