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Narrentod

Titel: Narrentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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angenommen, dass es Herr Dummermuth gewesen sei, und sich gewundert, dass er es so eilig gehabt habe. Als sie dann die Treppe hinuntergestiegen sei, um den Eingangskorridor feucht aufzunehmen, habe der Gehörnte wie ein nasser Putzlappen auf den Stufen gelegen.
    Weil sie Blut gesichtet habe, habe sie umgehend den Rettungsdienst alarmiert. Die Sanitäter hätten darauf die Polizei informiert. So weit die Kurzfassung der Aussage der Putzfrau. Den Rest kennen Sie, Herr Feller .«
    Ich bedanke mich. Dann fällt mir doch noch was ein. »Ist Frau Signorelli über die Geheimhaltung aufgeklärt worden ?«
    »Selbstverständlich.«
    »Gut. Sobald ich weiter sehe, komm ich vorbei«, verspreche ich dem Hauptmann.
    »Sobald ich weiter sehe, ist alles vorbei«, tröstet mich Geissbühler mit müdem Lächeln.

16
    Rote und weiße Nelken schmücken den Täntsch am Berntorplatz.
    Die ganze Rückwand dieses Scheibenstandes ist mit dunkelgrünem Efeu grundiert. Mitten im satten Grün der ledrigen Blätter leuchten jedes Jahr andere Motive, ganz aus frischen Blumen gesteckt. In einem Jahr sind es die Waffen der Armbrustschützen, in einem anderen Jahr der goldene Thunerstern oder eine Grußbotschaft der Kadetten.
    Heuer aber irritieren zwei Darstellungen der Narrenmaske. Das Irritierende liegt nicht allein in der Art der Darstellung der Teufelshörner. Diese gleichen nämlich mehr den Fühlern der Biene Maja als den Stecherchen des Gehörnten. Nein, Verwirrung schafft die Tatsache, dass die Einzigartigkeit des Fulehungs durch die Verdoppelung seines Konterfeis quasi infrage gestellt wird. Männiglich fragt sich: Ist es das Ergebnis bloßer Gedankenlosigkeit eines übereifrigen Floristen? Oder steckt eine Botschaft hinter der zweifachen Darstellung? Und welche? Etwa jene der Zweigesichtigkeit des Narren? Der Böse, der vorwitzige Bürger verhaut, und der Gütige, der auf der Täfelitour die Kinderchen beschenkt?
    Über den Masken prangen rechter Hand das Berner- und linker Hand das Thunerwappen. Auch diese beiden sind aus Blumen gestaltet. Dazwischen ziert ein Blütenband mit der aktuellen Jahreszahl die obere Begrenzung der kleinen Anlage. Links und rechts der vier quadratischen Schießscheiben steht je ein Zeigerhäuschen. Darin verstecken sich Walterlis Nachfahren und lassen sich Tells Geschosse um die Ohren fliegen.
    Gegenüber des Täntsch steht das Knabenschützenhaus. Das schmucke Holzhäuschen beherbergt im ersten Stock die Armbrustschützen. Im Untergeschoss kann während des Volksfestes im gemütlichen Stübli auf die zielsicheren Tellensöhne und den ehrenhaften Gesslerschützen angestoßen werden.
    Zwischen Schützen- und Scheibenstand verläuft eine viel befahrene Straße. Die Pfeile fliegen über die Köpfe von Automobilisten und Zaungästen. Gezielt wird aber nicht auf unschuldige Zeitgenossen, sondern, als Höhepunkt des Wettkampfes, auf ein Gesslerbild. Jedes Mal, wenn der Habsburger angeschossen wird, ertönt ein triumphierender Trommelwirbel. Gesslerschütze wird, wer die Medaille auf des Tyrannen Brust durchbohrt. Wohlverstanden: die Medaille, nicht das Herz des Herzlosen. Was nicht da ist, kann bekanntlich auch nicht weggeschossen werden.

     
    *

     
    Dienstag, 9.30 Uhr. Das Wetter hält.
    Der Schlussumzug wird voraussichtlich trocken über die Bühne gehen. Er startet beim Berntor, führt durch Haupt- und Freienhofgasse, durchs Bälliz über die Kuhbrücke zur Gerberngasse und endet auf dem Rathausplatz. Bis dahin sind es noch ungefähr zweieinhalb Stunden. In dieser Zeit sollte der Gessler erlegt und der Fulehung-Mörder gefasst werden. Seltsam. In einem Fall ist der Mörder ein Volksheld und im anderen ein Schwerverbrecher. Immerhin sollte ich die Täterschaft so weit eingekreist haben, dass Fabian Eichenberger ungefährdet den Umzug anführen kann. Rolf von Siebenthal erwartet das von mir. Keine Ahnung, ob ich es schaffe. Hoffentlich weiß inzwischen Jürg Lüthi etwas mehr.
    An einem der besonnten Tischchen vor dem Burg-Café rührt er konzentriert im aufgeschäumten Cappuccino. Er hat mich noch nicht bemerkt. Ich überrasche ihn mit einem aufgeweckten »Guten Morgen !« .
    »Wie war’s ?« , fragt er, ohne den Gruß zu erwidern.
    »Erhellend.«
    »Umso besser. Erzähl .«
    »Nein, zuerst du«, fordere ich ihn auf.
    »Okay. Ich war bei der Putzfrau und den beiden Bodyguards .«
    »Ja und? Was Neues erfahren ?«
    »Schon .«
    Eine ältere Dame in schwarzem Rock und weißer Schürze erkundigt sich nach meinen

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