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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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drei Reitern angeführt. In der Mitte ein fast kahlköpfiger Dicker mit einer schwarz emaillierten Brustplatte, zu seiner Rechten ein Ritter mit düsterer Miene und einer schräg verlaufendenNarbe quer über der Stirn, zu seiner Linken ein Priester oder Mönch, jedoch mit einem Schwert versehen und mit eisernen Schulterplatten auf dem Kettenhemd, das direkt über den Habit gezogen worden war.
    »Barnhelm und Sulz sind gekommen«, verkündete Markwart von Stolberg. »In die Schenke, Ihr Herren Ritter! Zum Thing! Los, los! Holt die, die sich mit den Mägden in den Scheunen wälzen! Weckt die Schlafenden auf! Zum Thing!«
    Es entstand ein allgemeines Durcheinander, denn fast jeder, der zum Rat der Ritter wollte, versorgte sich zunächst mit etwas Essbarem und einem guten Schluck. Laut und gebieterisch wurde nach den Knechten gerufen, sie sollten neue Fässchen und Humpen bringen. Unter denen, die auf die Rufe hin herbeieilten, befand sich auch Samson Honig. Reynevan rief ihn leise zu sich und behielt ihn an seiner Seite. Er wollte seinem Gefährten das Schicksal der Diener ersparen, die von den Raubrittern herumgestoßen und mit Schlägen bedacht wurden.
    »Geht zu diesem Thing«, befahl Scharley ihnen, »mischt euch unter die Menge. Es wäre gut zu wissen, was dieses Gesindel plant.«
    »Und du?«
    »Ich habe im Moment andere Pläne.« Der Demerit erhaschte den feurigen Blick einer Zigeunerin, die in der Nähe herumstrich, einer schönen, wenn auch etwas fülligen Frau mit goldenen Ringen in den rabenschwarzen Haaren. Sie zwinkerte ihm zu.
    Reynevan hätte Lust gehabt, einen Kommentar dazu abzugeben. Aber er bezwang sich.
     
    In der Schenke herrschte Gedränge. Unter den niedrigen Deckenbalken waberten Rauch und Gestank. Der Mief von Leuten, die ihre Rüstung seit langem nicht abgelegt hatten, also das Odeur von Eisen und einigem mehr. Die Ritter und Waffenknechte ordneten die Tafeln so an, dass sie quasi eine Nachahmung von König Artus’ rundem Tisch bildeten, aber dieSitzplätze reichten bei weitem nicht für alle aus. Der Großteil musste stehen. Unter ihnen auch, ganz hinten, um nicht aufzufallen, Reynevan und Samson Honig.
    Das Thing eröffnete, die bedeutenderen Teilnehmer namentlich begrüßend, Markwart von Stolberg. Gleich darauf ergriff Traugott von Barnhelm das Wort, jener neu angekommene kahlköpfige Dicke mit der schwarzen emaillierten Rüstung.
    »Die Sache ist die«, sagte er und legte klirrend sein Schwert, das in der Scheide steckte, vor sich auf den Tisch, »dass Konrad, der Bischof von Breslau, die Waffenträger zu den Fahnen ruft. Das bedeutet, er sammelt ein Heer, um abermals gegen die Böhmen loszuschlagen, also gegen die Ketzer. Es wird, so heißt es, ein Kreuzzug. Herr Starost Kolditz hat mich durch einen Vertrauensmann wissen lassen, wer dies wünsche, könne sich diesem Kreuzfahrerheer anschließen. Seine Sünden werden dem Kreuzfahrer vergeben, und was er erbeutet, ist sein. Die Pfaffen haben Konrad dazu noch das eine oder andere erzählt, aber weil ich das nicht behalten habe, ist Pater Hyazinth hier, den ich unterwegs mitgenommen habe, er kann euch das besser erklären.«
    Pater Hyazinth, jener Priester in Waffen, erhob sich und warf seine Waffe auf den Tisch, ein schweres Breitschwert.
    »Gepriesen sei der Herr«, donnerte er, als stünde er auf einer Kanzel, und hob die Hände wie ein Prediger, »er ist mein Fels! Er rüstet meine Hände zum Kampf, meine Finger zum Krieg! Brüder! Der Glauben hat sich davongemacht! In Böhmen hat die ketzerische Pest neue Kraft geschöpft, der grässliche Drache hussitischer Häresie hat sein widerliches Haupt erhoben. Wollt Ihr, kampferprobte Ritter, gleichmütig mit ansehen, wie sich Menschen niederen Standes in Scharen unter dem Zeichen des Kreuzes versammeln? Zusehen, wie die Gottesmutter jeden Morgen weint und und sich härmt, weil die Hussiten immer noch am Leben sind? Edle Herren! Ich erinnere Euch an die Worte des heiligen Bernhard: Christi Feind erschlagen heißt, ihn für Christus gewinnen!«
    »Zur Sache«, warf Buko von Krossig düster ein. »Fasst Euch kurz, Pater!«
    »Die Hussiten«, Pater Hyazinth schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch, »sind Gott zuwider! Es wird Gott wohlgefällig sein, wenn wir mit dem Schwert zwischen sie fahren und nicht erlauben, auch nur eine Seele in ihren Irrtum und Unflat hineinzuziehen! Denn der Preis für diese Sünde ist der Tod! Tod also, Tod den böhmischen Abtrünnigen, Feuer und Vernichtung der

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