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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Schilde, man hörte kräftige Flüche und das anfeuernde Geschrei der Zuschauer. Zwei Ritter, einer davon mit dem goldenen Karpfen der Glaubitz’ auf dem Schild, vollführten, ohne Helme zu tragen, einen ziemlich riskanten Schaukampf. Der Glaubitz teilte Schwerthiebe aus, sein Gegner wehrte diese mit einem Schild ab und versuchte, mit den Zähnen eines Schwertbrechers die Waffe zu erhaschen.
    Reynevan war stehen geblieben, um dem Kampf zuzusehen, aber Scharley zupfte ihn am Ärmel und bedeutete ihm, den Raubrittern zu folgen, die Essen und Trinken eindeutig mehr interessierte als Waffenspiele. Es dauerte auch nicht lange, und sie fanden sich inmitten des Festes und der Unterhaltung wieder. Rymbaba, Wittram und de Tresckow begrüßten, mit ihrem Geschrei den Lärm noch übertönend, ihre Bekannten, unter gegenseitigem Händedruck und Schulterklopfen. Kurz darauf saßen alle, unter ihnen auch Scharley und Reynevan, eng nebeneinander um den Tisch, verzehrten Schweinebraten und Hammelschlegel und erhoben ihre Becher, um einander, Gesundheit, Glück und Wohlergehen wünschend, zuzuprosten. Der anscheinend gewaltigen Durst verspürende Rymbaba schlug verächtlich so etwas Kleines wie einen Becher aus und trank Met aus einem Humpen, der wohl gut und gerne eine Metze fasste; der goldfarbene Trunk rann ihm über den Bart auf den Brustpanzer.
    »Gesundheit! Euch zu dienen!«
    »Euch zu Ehren!«
    »Auf dass es uns immer wohl ergehe!«
    Außer dem auf dem Hof kämpfenden Glaubitz gab es unter den Raubrittern noch etliche andere Sprösslinge aus Adelsfamilien, die offenbar nicht der Meinung waren, das Raubritterdasein beflecke die Ehre ihres Wappens und die damit auchnicht hinter dem Berg hielten. Nicht weit von Reynevan entfernt saß, mit vollen Backen kauend, ein großer Kerl in einem Wams mit dem Wappen derer von Kottwitz   – ein roter Balken in silbernem Feld. Etwas weiter entfernt saß ein Kerl mit Lockenkopf herum. Er trug auf seinem Gewand eine Rose, das Wappen der Poraj, polnische Ritter, die ihren Namen zum Kampfesruf, zum
cri de guerre,
gemacht hatten. Ein anderer, mit Schultern so breit wie ein Turm, trug einen Lendner, der mit einem goldenen Luchs geschmückt war. Reynevan konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, was für ein Wappen das war, doch wurde es ihm gleich darauf wieder ins Gedächtnis gerufen.
    »Herr Bożywoj de Lossow.« Notker von Weyrach übernahm die Vorstellung. »Die Herren Scharley und Hagenau.«
    »Ist mir eine Ehre.« Bożywoj de Lossow nahm ein Schweinerippchen aus dem Mund, Fett tropfte auf den goldenen Luchs. »Eine Ehre, Euch zu begrüßen. Hagenau, hmm . . . Ein Nachkomme dieses berühmten Poeten?«
    »Nein.«
    »Aha. Lasst uns trinken. Auf Eure Gesundheit!«
    »Gesundheit!«
    »Herr Wenzel de Hartha.« Weyrach stellte ihnen die nächsten Ankömmlinge vor. »Herr Buko von Krossig.«
    Reynevan betrachtete ihn neugierig. Buko von Krossig in seiner messingverzierten Rüstung war in Schlesien eine Berühmtheit, besonders seit dem Pfingstfest des vergangenen Jahres, als er einen Raubüberfall auf den Kustos des Kollegiatstiftes von Glogau und sein Gefolge unternommen hatte, der heute noch in aller Munde war. Jetzt runzelte der berühmte Raubritter die Stirn und zwinkerte, während sein Blick auf Scharley ruhte.
    »Kennen wir uns nicht? Haben wir uns nicht schon mal gesehen?«
    »Das kann ich nicht ausschließen«, erwiderte Scharley gelassen, »vielleicht in der Kirche?«
    »Eure Gesundheit!«
    »Euer Glück!«
    »Unser Wohlergehen!«
    »Der Rat«, sagte Buko von Krossig zu Weyrach. »Wir müssen Rat halten. Jetzt sofort, sobald alle da sind. Traugott von Barnhelm. Und Eckhard von Sulz.«
    »Eckhard von Sulz.« Notker von Weyrach verzog das Gesicht. »Natürlich. Der steckt seine Nase überall rein. Und worüber müssen wir Rat abhalten?«
    »Über den Kreuzzug«, antwortete ein Ritter, der in der Nähe saß und distinguiert die Fleischhappen zum Munde führte, die er vorher mit dem Stilett von einem Schenkel abgeschnitten hatte, den er in der Hand hielt. Er hatte langes, schon stark mit grauen Strähnen durchsetztes Haar, gepflegte Hände und ein Gesicht, dessen Vornehmheit auch nicht durch ein paar alte Schrammen gemindert wurde.
    »Es heißt«, erläuterte er, »es werde zum Kreuzzug einberufen.«
    »Gegen wen denn, Herr Markwart?«
    Der Grauhaarige kam nicht dazu, zu antworten. Auf dem Hof erhoben sich Tumult und Geschrei. Jemand fluchte, jemand schrie, ein Hund, den man getreten

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