Narrenturm - Roman
zwischen schilfgedeckten Hütten und Schuppen hindurch. Das Haupthaus, einer Feste nicht unähnlich, war, wie sich zeigte, eine Mühle, das, was sie für einen Flussarm gehalten hatten, der Mühlbach. Die Schütze waren aufgezogen, die Mühle war in Gang, das Mühlrad dröhnte, das Wasser rauschte und erzeugte weißen Schaum. Hinter der Mühle und den Dächern der Hüttengewahrte man den Lichtschein zahlreicher Feuer. Musik, Rufe und fröhliches Lärmen waren zu hören.
»Die feiern«, erriet Tassilo de Tresckow.
Hinter den Hütten kam ein kicherndes Mädchen mit aufgeknöpftem Gewand und fliegendem Zopf hervorgerannt, verfolgt von einem dicken Bernhardinermönch. Beide stürmten in die kleine Scheune, aus der bald darauf Gequietsche und Gelächter drangen.
»Na bitte«, brummte Scharley, »ganz wie bei uns zu Hause.«
Sie kamen an der im Gebüsch verborgenen, sich aber durch ihren Gestank verratenden Latrine vorbei und gelangten auf einen Hof voller Leute, von Feuern erhellt und von Musik und Lärm erfüllt. Man hatte ihre Ankunft bemerkt, denn sofort näherten sich ein paar Knechte und Knappen. Sie stiegen ab, die Pferde der Ritter wurden sofort versorgt. Scharley blinzelte Samson zu, der Riese seufzte nur und entfernte sich mit den Knechten, die drei Pferde hinter sich herziehend.
Notker von Weyrach reichte einem Waffenknecht seinen Helm, klemmte sich aber das Schwert unter den Arm.
»Viel Volk ist gekommen«, bemerkte er.
»Viel«, bestätigte der Waffenknecht. »Es heißt, es kommen noch mehr.«
»So kommt doch, kommt!«, drängte Rymbaba und rieb sich die Hände. »Ich habe Hunger!«
»Stimmt!«, fiel Kuno Wittram ein. »Und erst Durst!«
Sie kamen an einer Schmiede vorbei, in der das Feuer loderte, es stank nach Kohle und Metall klirrte, einige Schmiede, schwarz wie Zyklopen, waren eifrig bei der Arbeit, und hatten alle Hände voll zu tun. Dann kamen sie an einer Scheune vorüber, die man in ein Schlachthaus umgewandelt hatte – durch das offene Tor sah man etliche an den Beinen aufgehängte Schweinehälften und einen großen Ochsen; Letzterer wurde gerade ausgenommen und die Innereien in einen Waschzuber geworfen. Vor der Scheune brannten Feuer, über denen Ferkel und Schafe an Spießen brieten. Verrußte Kessel und Töpfedampften und lockten mit ihrem Duft. Daneben saßen auf Bänken hinter Tischen oder einfach auf der Erde die Essenden. Um einen ständig wachsenden Berg von abgenagten Knochen drängten und balgten sich die Hunde. Lichtschein drang aus den Fenstern und dem Flur der Schenke, aus der alle Augenblicke Fässer herausgerollt wurden, die sofort von durstigen Seelen umlagert wurden.
Der von Gebäuden eingefasste Innenhof wurde vom flackernden Licht der Teerlampen erhellt. Hier tummelte sich viel Volk, Bauern, Knechte, Knappen, Mägde, Händler, Jongleure, Bernhardiner, Franziskaner, Juden und Zigeuner. Und zahlreiche Ritter und Waffenknechte in Rüstung, die Schwerter unweigerlich am Gurt oder unter dem Arm.
Die Ausrüstung der Ritter brachte ihr Ansehen und ihren Reichtum zum Ausdruck. Die Mehrzahl von ihnen war in voller Montur, einige prahlten förmlich mit den Erzeugnissen von Nürnberger, Augsburger oder Innsbrucker Meistern der Waffenschmiedekunst. Es waren aber auch welche darunter, die sich keine vollständige Rüstung leisten konnten, sie trugen über dem Kettenhemd Brustplatten, Schulterplatten, Halsbrünnen, Gürtel oder Hüftstücke.
Sie gingen am Speicher vorbei, auf dessen Stufen eine Gruppe von Vaganten aufspielte, Fideln jauchzten, Schalmeien dudelten, Bässe brummten, Flöten und Hörner ertönten. Andere Vaganten tanzten dazu im Rhythmus der Musik, dass die an ihre Gewändern angenähten Glöckchen und Schellen klangen. Nebenan, auf einem hölzernen Podest, tanzten einige Ritter, wenn man ihre Sprünge und ihr Gehüpfe, das eher an den Veitstanz gemahnte, überhaupt tanzen nennen konnte. Ihr Herumgestampfe auf den Brettern übertönte fast die Fideln, und der Staub stieg in einer Wolke auf, die in die Nase drang. Die Mägde und die Zigeunerinnen lachten und juchzten in noch höheren Tönen als die Flöten der Goliarden.
In der Mitte des Hofes, in einem großen mit Pechfackeln abgesteckten Viereck aus gestampfter Erde gab man sich martialischerenVergnügungen hin. Die Ritter in ihren Rüstungen bewiesen sich gegenseitig ihre Kampfkünste, prüften Waffen und Haltbarkeit ihrer Panzer. Schwertklingen klirrten, Streitäxte und Morgensterne donnerten dumpf gegen
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