Narrenturm - Roman
Bolzen schwirren, aber alle drei verfehlten unglücklicherweise ihr Ziel. Sie wollten fliehen, aber es gelang ihnen nicht, sie fielen unter den Schwertstreichen der Angreifer. Der Waffenknecht kreuzte mannhaft mit Kyrieleison die Klinge, die Pferde schnaubten und tänzelten, die Klingen klangen. Stork von Gorgewitz beendete den Waffengang, indem er dem Waffenknecht den Speer in den Rücken rammte. Der Waffenknecht richtete sich auf, da versetzte ihm Kyrieleison mit einem Stich in den Hals den Todesstoß.
Tief im Wald, im dichten Buschwerk, schrie alarmiert eine erschrockene Elster. Es stank nach Pulverdampf.
»Na bitte, wer sagt’s denn«, sagte Kyrieleison und stieß den am Boden liegenden Reynevan mit der Schuhspitze. »Der Herr Bielau. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Freut Ihr Euch denn nicht?«
Reynevan freute sich nicht.
»Wir haben lange hier auf dich gewartet«, beschwerte sich Aulock, »bei Regenwetter, Kälte und Ungemach. Aber
finis coronat opus
. Jetzt haben wir dich, Bielau. Und auch gleich transportfertig, verschnürt wie ein Bündel. Oho, ich fürchte, das ist nicht dein Tag.«
»Lass mich mal, Kunz, ich schlag’ ihm die Zähne ein, schlug einer der Banditen vor. Er hat mir damals fast das Auge ausgeschlagen, in dieser Schenke vor Brieg. Dafür schlag’ ich ihm jetzt die Zähne ein.«
»Lass ihn, Sybek«, knurrte Kyrieleison, »bleib ruhig. Geh besser und sieh nach, was der Ritter in den Satteltaschen und in seinem Beutel hat. Und du, Bielau, was glotzt du mich so an?«
»Du hast meinen Bruder erschlagen, Aulock.«
»Hä?«
»Du hast mir meinen Bruder erschlagen. In Balbinow. Dafür wirst du hängen.«
»Du redest Unsinn!«, versetzte Kyrieleison kühl. »Du bist wohl vom Pferd herab auf den Kopf gefallen.«
»Den Bruder hast du mir erschlagen!«
»Du wiederholst deinen Unsinn!«
»Du lügst!«
Aulock blickte auf ihn herab, sein Gesicht spiegelte sein Dilemma wider – zutreten oder nicht. Er trat nicht zu, aus Geringschätzigkeit. Er ging ein paar Schritte weiter und beugte sich über das getötete Pferd.
»Da soll mich doch gleich der Teufel holen!«, sagte er und nickte. »Eine überaus gefährliche und mörderische Waffe, deine Handkanone, Stork. Sieh selbst, was für ein Loch das in die Stute geschlagen hat. So groß wie ein Sattel! In der Tat, die Waffe hat Zukunft! Das nenne ich Moderne!«
»Die ganze Moderne ist für ‘n Arsch!«, empörte sich Stork. »Nicht aufs Pferd, auf den Reiter hab’ ich gezielt mit diesem verdammten Rohr. Und nicht auf diesen Reiter, sondern auf den dort.«
»Das macht nichts. Es ist nicht wichtig, wohin du gezielt hast, es genügt, dass du getroffen hast. He, Walter, was tust du da?«
»Ich bringe die um, die noch atmen!«, schrie Walter de Barby. »Wir wollen doch keine Zeugen, oder?«
»Beeil dich! Stork, Sybek, ruck, zuck!, setzt Bielau aufs Pferd. Auf den Braunen des Ritters. Und bindet ihn gut fest, das ist ein mutwilliger Mensch. Denkt daran!«
Stork und Sybek dachten daran, oh!, und wie sie es taten!, denn bevor sie Reynevan aufs Pferd hievten, bedachten sie ihn ausgiebig mit Hieben und ausgewählten Flüchen. Die gefesselten Hände wurden am Sattelknopf festgebunden und die Waden am Steigbügelriemen. Walter de Barby hatte sein Morden beendet, die Leichen der Münsterberger wurden in die Büsche gezogen, die Pferde auseinander getrieben, und auf Kyrieleisons Kommando jagten die vier mit Reynevan davon. Sie rittenscharf, anscheinend wollten sie so rasch wie möglich fliehen, um einer Verfolgung zu entgehen. Reynevan rutschte im Sattel hin und her. Seine Rippen stachen bei jedem Atemzug, es schmerzte höllisch. So kann es nicht weitergehen, dachte er, einer Ohnmacht nahe, es kann nicht sein, dass man mich jeden Augenblick schlägt.
Kyrieleison trieb seine Kumpanen mit Geschrei an, sie ritten im Galopp. Die ganze Zeit schon auf der Straße. Eindeutig zogen sie das Tempo der Möglichkeit, sich zu verbergen, vor – der dichte Wald hätte nicht einmal das Traben zugelassen, vom Galoppieren ganz zu schweigen.
Sie gelangten an eine Weggabelung. Genau in die Falle.
Von allen Seiten, auch von hinten, stürmten Reiter auf sie zu, die in den Büschen verborgen waren. Insgesamt waren es etwa zwanzig, die Hälfte davon in Rüstung und mit blankgezogenem Schwert. Kyrieleison und seine Kumpane hatten keine Chance, aber sie leisteten trotzdem erbitterten Widerstand. Aulock stürzte als Erster vom Pferd, den Kopf von einer Axt aufs
Weitere Kostenlose Bücher