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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Französin angerührt hast. Dass du über sie drübergerutscht bist, das war dein Verderben.«
    Reynevan erwiderte auch diesmal nichts, konnte sich aber eines nachdenklichen Kopfnickens nicht erwehren.
    Kaum waren die Stadttürme ihren Blicken entschwunden, wurde der finster erscheinende und bis zur Unerträglichkeit servile Hackeborn lebhaft, fröhlich und   – ohne dazu aufgefordert worden zu sein   – gesprächig. Er trug wie die Hälfte der Deutschen den Namen Heinrich und war, wie sich zeigte, ein Verwandter der mächtigen Hackeborns von Priebus, vor kurzem, nämlich erst vor zwei Jahren, aus Thüringen herübergekommen, wo sein im Dienst der Landgrafen stehendes Geschlecht im Rang zusehends tiefer sank und infolgedessen immer mehr verarmte. In Schlesien, wo der Name Hackeborn noch etwas bedeutete, erhoffte sich Ritter Heinrich vom Dienst bei Johann von Münsterberg Abenteuer und Aufstieg. Ersteres sollte ihm schon bald der große Kreuzzug gegen die Hussiten bringen, mit dem jeden Tag zu rechnen war, Letzteren dachteer sich durch eine günstige Heirat zu sichern. Heinrich Hackeborn gestand Reynevan seine Liebe zu der reizenden, temperamentvollen Jutta von Apolda, der Tochter des Mundschenks Bertold von Apolda, des Herrn auf Schönau. Jutta, bekannte der Ritter freimütig, erwidere leider seine Gefühle nicht und erlaube sich sogar, sich über seine Avancen lustig zu machen. Aber das sei nicht weiter von Bedeutung, die Hauptsache sei Beständigkeit, steter Tropfen höhle den Stein.
    Reynevan, den die Herzensangelegenheiten Hackeborns noch weniger interessierten als der Schnee vom vergangenen Jahr, tat so, als höre er zu und nickte höflich, es lohnte sich schließlich nicht, der eigenen Eskorte gegenüber unhöflich zu sein. Als dem Ritter nach einiger Zeit der Gesprächsstoff ausging und er schwieg, versuchte Reynevan ein Nickerchen zu machen, aber daraus wurde nichts. Vor seinen Augen stand ständig das Bild des toten Peterlin auf der Bahre oder das Adeles, die Waden auf Herzog Johanns Schultern.
    Sie waren im Schlausener Wald, der nach dem morgendlichen Regen in allen Farben leuchtete und würzig duftete, als Ritter Heinrich sein Schweigen brach. Von sich aus, ohne danach gefragt worden zu sein, verriet er Reynevan das Ziel seiner Reise   – Schloss Stolz, der Stammsitz des mächtigen Johann von Biberstein. Reynevan war ebenso wachsam wie beunruhigt. Er wollte den Schwätzer aushorchen, aber es gelang ihm nicht, der Ritter wechselte übergangslos das Thema und begann über Adele von Sterz und das traurige Los zu sprechen, das die Romanze mit ihr Reynevan beschert hatte.
    »Alle sind der Meinung«, wiederholte er, »es sei dein Pech gewesen, dass du über sie drübergerutscht bist.«
    Reynevan wollte sich nicht mit ihm streiten.
    »Aber so ist es nicht«, fuhr Hackeborn fort, mit der Miene dessen, der alles weiß. »Ganz im Gegenteil, es gibt Leute, die das sehr wohl herausgefunden haben und die es wissen: Dass du die Französin gefickt hast, hat dir das Leben gerettet.«
    »Wie bitte?«
    »Herzog Johann«, erklärte ihm der Ritter, »hätte dich ohne weiteres den Sterz’ übergeben, Rachenau und die Baruths haben heftig auf ihn eingeredet Aber was wäre damit ausgesagt worden? Dass Adele lügt, wenn sie alles abstreitet. Dass du sie doch gevögelt hast. Dringt das bis zu dir vor? Aus demselben Grund hat dich der Herzog auch nicht dem Henker überantwortet, damit er die Morde, die du angeblich begangen hast, untersucht. Denn er wusste, dass du unter der Folter angefangen hättest, von Adele zu reden. Verstehst du?«
    »Ein wenig.«
    »Ein wenig!«, lachte Hackeborn. »Die kleine Möse hat dich gerettet, Brüderchen. Anstatt an den Galgen oder in die Folterkammer, kommst du nach Schloss Stolz. Denn dort kannst du nur den Mauern etwas von deiner amourösen Überlegenheit in Adeles Schoß erzählen, und die Mauern dort sind sehr dick. Was soll’s, du wirst wohl eine Zeit lang dort sitzen müssen, aber du rettest dafür auch deinen Kopf und andere Glieder. Auf Stolz kriegt dich keiner in die Finger, weder der Bischof noch die Inquisition. Die Bibersteins sind mächtige Herren, sie fürchten niemanden, und keiner wagt es, sich mit ihnen anzulegen. Ja, ja Reynevan. Das hat dich gerettet, dass du dem Herzog Johann eingestanden hast, seine neue Mätresse vor ihm besessen zu haben. Verstehst du? Eine Liebste, deren wonnigliches Feld bisher nur der ihr angetraute Herr Gemahl beackert hat, ist doch fast wie eine

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