Narrenturm - Roman
gesamten Hofstaat und verschiedenen geistlichen Herren ebenfalls auf dem Weg nach Breslau. Also weiß er nicht, wie . . . wie er die Jagd fortsetzen soll. Aber Wolfher schwört, dass er Reynevan fassen wird. Dass man ihm die Ehre des Geschlechtes anvertrauen kann.«
Balbulus’ linkes Augenlid schnellte nach oben, aus dem Mund floss ein Speichelfaden.
»Bbbhh-bhh-bhh-bhhuaha-rrhha-phhh-aaa-rrh!«, klang es durch die Kammer. »Bbb . . . hrrrh-urrrhh-bhuuh! Gugguggu . . .«
»Wolfher ist ein ausgemachter Kretin«, übersetzte mit dünnem,melodischem Stimmchen Ofka von Baruth. »Ein Dummkopf, dem ich nicht mal einen Eimer voll Kotze anvertrauen würde. Das einzige, was der in die Finger kriegt, ist sein eigener Schwanz.«
»Vater!«
»Bbb . . . brrrh! Bhhrhuu-phr-rrrhhh!«
»Schweig!«, übersetzte die mit ihrer Puppe beschäftigte Ofka, ohne den Kopf zu heben. »Hört, was ich zu sagen habe! Was ich befehle!«
Apeczko wartete geduldig das Geräusper und Gestammel ab und vernahm schließlich die Übersetzung.
»Als Erstes lässt du feststellen, Apecz«, befahl Tammo durch den Mund des Mädchens, »welches Weib in Bernstadt die Aufsicht über die Burgunderin hatte. Das entweder den wahren Grund für jene Wohltätigkeitsfahrten nach Oels nicht erkannt hat. Oder mit der Hure unter einer Decke steckte. Das Weib soll fünfunddreißig Rutenstreiche empfangen. Auf den nackten Hintern. Hier, bei mir. Vor meinen Augen. Ich will auch ein bisschen Spaß haben.«
Apeczko Sterz nickte. Balbulus hustete, räusperte sich und begeiferte sich von oben bis unten. Dann zog er eine gespenstische Grimasse und schnatterte.
»Die Burgunderin hingegen«, übersetzte Ofka, die mit einem kleinen Kamm die aus Werg bestehenden Haare der Puppe bearbeitete, »von der ich schon weiß, dass sie sich bei den Zisterzienserinnen von Ellguth versteckt hält, befehle ich, dort herauszuholen, selbst wenn das Kloster im Sturm genommen werden müsste. Dann sperrt ihr die Hure bei den Mönchen ein, die uns gewogen sind, zum Beispiel bei . . .«
Tammo hörte plötzlich auf zu stammeln und zu gurgeln, das Geröchel erstarb ihm im Munde. Apeczko begriff, dass der Alte seine sorgenvolle Miene bemerkt haben musste. Dass er verstanden hatte. Dass sich die Wahrheit nicht länger verbergen ließ.
»Der Burgunderin«, stammelte er, »ist es gelungen, aus Ellguthzu entwischen. Heimlich . . . Keiner weiß, wohin. Wir waren mit der Verfolgung beschäftigt . . . Wir haben . . . nicht aufgepasst.«
»Seltsam«, übersetzte Ofka nach einer Weile bedeutsamen Schweigens, »seltsam, warum mich das überhaupt nicht wundert. Aber wenn es sich schon so verhält, dann mag es auch so bleiben. Ich werde mir nicht den Kopf über eine Hure zerbrechen. Das soll Gelfrad erledigen, wenn er zurückkommt. Eigenhändig soll er das erledigen. Seine Hörner gehen mich nichts an. In der Familie ist das nicht Neues. Mich selbst hat man wohl auch kräftig damit geziert. Denn es kann doch wohl nicht sein, dass meinen Lenden solche Dummköpfe entsprungen sind.«
Balbulus hustete, räusperte sich und rang einige Zeit nach Luft. Ofka übersetzte nicht, also war das keine Sprache, sondern ein gewöhnlicher Husten. Schließlich röchelte der Alte, schöpfte Atem, verzog das Gesicht wie ein Dämon und hieb mit seiner Krücke auf den Boden, worauf er wie wild zu gurgeln begann. Ofka lauschte, ein Zopfende im Mund.
»Niklas aber«, übersetzte sie, »war die Hoffnung dieses Geschlechtes. Der war Blut von meinem Blut, ein echter Sterz, zum Teufel, nicht der Auswurf eines Straßenköters. Es kann nicht sein, dass der Mörder für sein vergossenes Blut nicht bezahlt, und das gehörig.«
Tammo hieb wieder mit der Krücke auf den Boden. Der Stock entglitt seiner zitternden Hand. Der Herr auf Sterzendorf hustete und nieste und besabberte und berotzte sich dabei. Roswitha von Baruth, Balbulus’ Tochter, Ofkas Mutter, die neben ihm stand, wischte ihm den Bart ab, hob den Stock auf und drückte ihn in seine Hand.
»Hgrrrhhh! Grhhh . . . Bbb . . . bhrr . . . bhrrrllg . . .«
»Reinmar Bielau wird für Niklas bezahlen«, übersetzte Ofka teilnahmslos. »Er wird bezahlen, Gott ist mein Zeuge und alle Heiligen der Welt. Ich werde ihn ins Loch stoßen, in einen Käfig, in eine Lade wie die, in welche die Glogauer Heinrichden Dicken gesperrt haben, mit einem Loch für Speise und einem entgegengesetzt angebrachten für das Gegenteil, so, dass er sich nicht einmal kratzen kann. Und dort lasse ich ihn
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