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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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unwillkürlich, er spürte, wie sich die Ruhe der Frau auf ihn übertrug. »Tatsächlich, bitte, lasst auftragen, ich werde kosten, was da in Italien gewachsen ist. Schickt auch bitte einen Knappen zum Wachturm, es soll sich sofort einer hier einfinden, der gut und flink zu reiten versteht und das Herz auf dem rechten Fleck hat. Jemand, der eine Botschaft überbringen kann.«
    »Wie Ihr befehlt, gnädiger Herr!«
     
    Die Hufe hämmerten über die Brücke, der Bote, der Sterzendorf verließ, wandte sich um, winkte seinem Mädchen, das zum Abschied vom Burgwall ein weißes Tüchlein schwenkte. Plötzlich nahm er an der mondlichtübergossenen Mauer des Wachturmes eine Bewegung wahr. Zum Teufel, dachte er, was kraucht denn da? Ein Uhu, eine Eule, eine Fledermaus? Doch nicht etwa . . . Der Bote murmelte einen Bannspruch, spuckte in den Burggraben und gab seinem Pferd die Sporen. Die Botschaft, die er bei sich trug, war eilig. Und der Herr, der sie ihm gegeben hatte, streng.
    Daher sah er nicht mehr, dass ein riesiger Mauerläufer seine Flügel ausbreitete und lautlos wie ein Geist, wie ein Nachtgespenst über die Wälder nach Westen in Richtung des Tales der Weide glitt.
     
    Burg Sensenberg hatten, wie jedermann wusste, die Tempelritter erbaut, und mit gutem Grund hatten sie eben jenen und keinen anderen Platz gewählt. Der einen zerklüfteten Felssturz überragende Berggipfel war in weit zurückliegender Zeit eine Kultstätte für heidnische Götter gewesen, es gab hier einen Opfertisch, auf dem die vorzeitlichen Bewohner dieser Gegend, die Trebowanen und die Boboranen, ihren Göttern Menschenopfer dargebracht hatten. Als vom Opferaltar nur noch ein verwitterter, moosbewachsener Steinkreis übrig war, der unter Gestrüpp verborgen lag, breitete sich der heidnische Kult weiter aus, und auf dem Gipfel brannten samstags die Feuer. Noch 1189 hatte der Bischof von Breslau, Żyrosław, all jenen mit strengen Strafen gedroht, die es wagen sollten, auf dem Sensenberg ein
festum diabolicum et maledictum
zu feiern. Mehr als hundert Jahre später ließ Bischof Lorenz in den Kerkerlöchern jene verrotten, die dort oben ein Fest begangen hatten.
    Inzwischen waren, wie es hieß, die Tempelritter gekommen. Sie bauten ihre schlesischen Burgen, bedrohlich wirkende, zinnenbewehrte Miniaturen syrischer Burgen, die unter der Aufsicht von Leuten errichtet worden waren, die farbigeTücher um ihre Köpfe gewunden und dunkle Gesichter von der Farbe gegerbten Rindsleders hatten. Es konnte kein Zufall sein, dass als Standorte für die Wehrburgen jeweils die heiligen Stätten uralter, aus dem Gedächtnis entschwindender Kulte erwählt wurden   – wie Klein Oels, Ottmuth, Rogau, Habendorf, Fischbach, Peterwitz, Owiesno, Leipe, Bratschenberg, Silberberg, Kaltenstein. Und natürlich Sensenberg.
    Und dann brach das Ende über die Tempelritter herein. Gerecht oder nicht, es ist müßig darüber zu streiten, jedenfalls wurde mit ihnen kurzer Prozess gemacht, jeder weiß, wie es war. Ihre Burgen übernahmen die Johanniter, sich rasch bereichernde Klöster, und ebenso rasch zur Macht gekommene schlesische Magnaten teilten sie unter sich auf. Einige Burgen verfielen trotz der Macht, die in ihrem Inneren ruhte, sehr schnell wieder zu Ruinen. Ruinen, die man mied, um die man einen Bogen machte. Vor denen man sich fürchtete.
    Nicht ohne Grund.
    Trotz der rasch voranschreitenden Kolonialisierung, trotz des Herbeiströmens bodenhungriger Siedler aus Sachsen, Thüringen, dem Rheinland und Franken, blieben Berg und Burg Sensenberg weiterhin von einem breiten Streifen Niemandsland umgeben, einer Einöde, in die sich höchstens ein Wilderer oder ein Entlaufener verirrte. Von ihnen, nämlich von den Wilderern und den Entlaufenen, hörte man zum ersten Mal von ungeheuren Vögeln erzählen, von schrecklichen Reitern, von unvermittelt aufflammenden Lichtern hinter den Burgfenstern, von wilden und schrecklichen Schreien und Gesängen, von gespenstischer Orgelmusik, die klang, als käme sie unter der Erde hervor.
    Es gab welche, die dies nicht glaubten. Es gab andere, die der Schatz der Tempelritter lockte, der angeblich immer noch in den unterirdischen Gewölben der Sensenburg ruhte. Es gab ganz gewöhnliche Neugierige und unruhige Geister.
    Sie kehrten nicht zurück.
     
    Wenn sich in jener Nacht ein Wilderer, ein Entlaufener oder ein Abenteurer in der Gegend um den Sensenberg befunden hätte, hätten Berg und Burg wohl Stoff für neue Legenden geliefert.
    Am

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