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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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jungen, die mittleren und die alten   – auf Sterzendorf?
    Rasch verjagte er diesen ungeheuerlichen Gedanken.
    »Ich werde Euch nicht enttäuschen, Vater.«
     
    Apeczko Sterz dachte keineswegs daran, sich mit der Ausführung der Befehle zu beeilen. Eilig begab er sich unter zornigem Brummen in die Schlossküche, wo er sich alles auftischen ließ, worüber eine ordentliche Küche verfügte. Unter anderem den Rest einer Hirschkeule, fette Schweinerippchen, einen großen Batzen Blutwurst, ein Stück gedörrten Prager Schinkens und einige in Bouillon gedünstete Täubchen. Dazu einen ganzen Laib Brot, so groß wie ein Sarazenenschild. Dazu selbstverständlich Wein, vom besten, versteht sich, ungarische und moldauische Sorten, die Balbulus nur für seinen eigenen Bedarf unterhielt. Der Gelähmte mochte wohl in seiner Kammer oben den Herren spielen. Aber außerhalb der Kammer hatte ein anderer das Sagen. Außerhalb der Kammer herrschte Apeczko Sterz.
    Apeczko fühlte sich als Herr, und schon als er die Küche betrat, bewies er, wer er war. Der Hund bekam einen Fußtritt und verschwand unter Gewinsel. Die Katze floh und wich geschickt der Flugbahn eines Kochlöffels aus. Die Küchenmägde plumpsten vor Schreck auf den Hintern, als ein eiserner Kochkessel mit unbeschreiblichem Getöse auf den Steinfußboden knallte. Die faulste Magd erhielt einen Schlag ins Genick und erfuhr, dass sie die blödeste aller Schlampen sei. Sehr unterschiedliche Dinge über sich und ihre Herkunft erfuhren auch die Knappen, einige von ihnen machten auch Bekanntschaft mit der Faust des Herrn, die hart und schwer wie Eisen war. Der, dem der Befehl, Wein aus dem herrschaftlichen Keller zu bringen, zweimal gegeben werden musste, erhielt einen solchen Tritt, dass er sich auf allen vieren auf den Weg machte.
    Kurz darauf fraß Apeczko   – Herr Apeczko   –, der sich hinter dem Tisch breit gemacht hatte, gierig und in großen Bissen, trank abwechselnd Moldau- und Ungarwein, warf nach Herrenart die Knochen auf den Boden, spuckte, rülpste und schielte zu der dicken Schaffnerin hinüber, darauf lauernd, dass sie ihm einen Vorwand lieferte.
    Der alte Knochen, dieser Trottel und Paralytiker, lässt sich Vater nennen, dabei ist er nur mein Oheim, der Bruder meines Vaters. Aber ich muss es ertragen. Denn wenn der endlich die Haxen streckt, werde ich, der älteste Sterz, das Oberhaupt der Familie. Das Erbe, na ja, das muss wohl aufgeteilt werden, aber das Oberhaupt bin ich. Alle wissen das. Und nichts hindert mich daran, nichts kann mich daran . . .
    »Hindern«, fluchte Apeczko halblaut, »kann mich der Streit mit Reynevan und Gelfrads Frau. Hindern kann mich die Familienfehde, die Landfriedensbruch bedeutet. Hindern kann mich auch das Anwerben von Schergen und Mördern. Die laute Hatz, die Haft des Jungen im Kerkerloch, die Schläge und die Folter für ihn, der ein Verwandter der Nostitz und mit den Piasten verschwägert ist. Und Lehnsmann des Johann vonMünsterberg. Und der Breslauer Bischof, Konrad, der Balbulus genauso wenig liebt wie Balbulus ihn, wartet doch nur auf eine Gelegenheit, den Sterz’ an den Arsch zu gehen.«
    Nicht gut, nicht gut, nicht gut.
    Und schuld an allem ist Reynevan, beschloss Apeczko plötzlich, während er in den Zähnen herumstocherte, Reinmar von Bielau. Und dafür muss er zahlen. Aber nicht so, dass es ganz Schlesien mitkriegen würde. Er wird ganz herkömmlich dafür büßen, still, in der Dunkelheit, mit einem Messer zwischen den Rippen. Dann, wenn er, wie Balbulus das ganz richtig erraten hat, inkognito in Ellguth bei den Zisterzienserinnen erscheint, unter dem Fenster seiner Angebeteten, Gelfrads Adele. Ein Stoß mit dem Messer, und schwupp! in den klösterlichen Karpfenteich. Dann ist Stille. Nur die Karpfen wissen Bescheid.
    Andererseits kann man Balbulus’ Befehle nicht einfach ignorieren. Schon allein deshalb nicht, weil der Stotterer die Ausführung seiner Befehle zu kontrollieren pflegte. Indem er seine Befehle nicht einer, sondern mehreren Personen übertrug.
    Was zum Teufel konnte man da tun?
    Apeczko stieß heftig das Messer in den Tisch, stürzte den Becher Wein in einem Zug hinunter. Er hob den Kopf und begegnete dem Blick der Schaffnerin.
    »Was glotzt du so?«, fragte er grollend.
    »Der alte Herr«, antwortete die Schaffnerin gelassen, »hat in letzter Zeit noch ein paar hervorragende italienische Weine kommen lassen. Soll ich auftragen lassen, gnädiger Herr?«
    »Tatsächlich!« Apeczko lächelte

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