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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Zweigen, rasten durch die Pfützen des Waldweges und gelangten endlich in den Hochwald.
    »Weiter!«, schrie Scharley, der sich umgewandt hatte. »Weiter! Sie sind hinter uns her!«
    Tatsächlich, sie waren hinter ihnen her. Der Wald hallte wider von donnerndem Hufschlag und wildem Geschrei. Reynevanwandte sich um und erblickte die Silhouetten der Reiter. Er schmiegte sich an die Mähne des Pferdes, damit die zurückschnellenden Äste ihn nicht aus dem Sattel warfen. Zum Glück führte sie ihr Weg aus dem Dickicht in einen lichteren Wald, und sie ließen die Pferde laufen. Scharleys Brauner stürmte wie ein Orkan davon und vergrößerte den Abstand. Reynevan feuerte sein Pferd an. Das war zwar riskant, aber allein zurückzubleiben, danach stand ihm wirklich nicht der Sinn.
    Erneut wandte er sich um. Das Herz stand ihm erst beinahe still, dann rutschte es ihm in die Hosen, als er sah, wer ihn verfolgte   – Reiter mit wehenden Mänteln, die wie die Flügel von Gespenstern aussahen. Er hörte einen Schrei.
    »Adsumus! Adsumuuuus!«
    Sie holten das Letzte aus ihren Pferden heraus. Das Pferd Heinrich Hackeborns schnaubte plötzlich, Reynevan rutschte das Herz fast bis zu den Kniekehlen. Er presste sein Gesicht auf die Mähne, spürte, wie das Pferd zum Sprung ansetzte und sich über einem umgestürzten Baum oder einem Graben streckte.
    »Adsumuus!«,
erscholl es von hinten.
»Adsuuumuuus!«
    »In die Schlucht!«, schrie Samson von vorn. »In die Schlucht, Scharley!«
    Scharley, obwohl in gestrecktem Galopp dahinrasend, entdeckte den Hohlweg   – die Schlucht, den schmalen Pfad im Talkessel. Sofort lenkte er sein Pferd dorthin, der Braune wieherte, weil er auf dem dichten Blätterteppich, der den Hang bedeckte, ins Rutschen kam. Samson und Reynevan preschten hinterher. Der Hohlweg barg sie, aber sie verlangsamten das Tempo nicht, zügelten die Pferde nicht. Hals über Kopf jagten sie über das Moos, welches das Schlagen der Hufe dämpfte. Heinrich Hackeborns Pferd schnaubte wieder, seine Brust war schweißnass, Schaumflocken flogen um sie herum. Scharleys Pferd zeigte keine Spur von Ermüdung. Der gewundene Pfad in der Schlucht führte auf eine Lichtung, hinter ihr lag ein Haselhain, dicht wie ein Urwald. Sie quälten sich durch ihnhindurch und gelangten wieder in einen Hochwald, der einen Galopp zuließ. Sie galoppierten weiter, und die Pferde schnauften immer stärker.
    Nach einiger Zeit ritt Samson langsamer und ließ sich zurückfallen. Reynevan begriff, dass er es ihm gleichtun musste. Auch Scharley drehte sich um und hielt den Braunen an.
    »Wir haben sie . . .«, stieß er atemlos hervor, als sie auf gleicher Höhe waren, »wir haben sie wohl abgehängt. In was für eine Lage hast du uns da wieder gebracht, Reinmar?«
    »Ich?«
    »Zum Teufel! Ich habe diese Reiter gesehen! Ich habe gesehen, wie du dich bei ihrem Anblick vor Schreck zusammengekrümmt hast! Wer ist das? Warum haben sie »Da sind wir« geschrien?«
    »Ich weiß es nicht, ich schwöre . . .«
    »Ich halte nichts von deinen Schwüren. Puh, wer immer das gewesen sein mag, wir haben es geschafft . . .«
    »Wir haben es noch nicht geschafft«, sagte Samson Honig mit fremder Stimme. »Die Gefahr ist noch nicht vorüber. Achtung! Aufpassen!«
    »Was ist?«
    »Da kommt etwas.«
    »Ich höre nichts.«
    »Aber da ist etwas. Etwas Böses. Etwas sehr Böses.«
    Scharley wendete das Pferd, stellte sich in die Steigbügel, sah sich um und lauschte angestrengt. Reynevan hingegen duckte sich im Sattel, die Veränderung in Samsons Stimme ließ ihn vor Grauen frösteln. Heinrich Hackeborns Pferd schnaubte und stampfte auf. Samson rief etwas. Reynevan schrie auf. Und dann stürzten sich, keiner wusste woher, keiner wusste, wie es gekommen war, Fledermäuse auf sie.
    Dies waren, was wohl nur zu verständlich ist, keine gewöhnlichen Fledermäuse. Obwohl sie nicht recht viel größer waren als gewöhnliche Fledermäuse, höchstens doppelt so groß, besaßen sie doch unnatürlich große Köpfe, riesige Ohren, Augenwie glühende Kohlen und Schnauzen voller weißer Hauer. Und es waren viele, ein ganzer Schwarm, groß wie eine Wolke. Ihre schmalen Flügel zischten und durchschnitten die Luft wie türkische Krummsäbel.
    Reynevan ruderte wie verrückt mit den Armen, um die wild angreifenden Bestien abzuwehren, vor Schauder und Abscheu schreiend, riss er diejenigen, die sich in seinen Hals und in seinen Haaren verbissen hatten, herunter. Einige warf er zu Boden, indem er

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