Narrenturm - Roman
Konrad kühl und ziemlich herablassend. »Ich habe Euch keine Zeremonie, sondern Euren Seelenfrieden angeboten, und zwar unabhängig von jeglicher Doktrin. Aber es steht Euch frei, Nein zu sagen. Nur mit Eurem Gewissen müsst Ihr dann allein ins Reine kommen. Ich sage Euch nur so viel, diese Toten, Bart, Throst, Pfefferkorn und Bielau haben Schuld auf sich geladen. Sie haben gesündigt. Paulus schrieb an die Römer: Der Preis für die Sünde ist der Tod.«
»Dort steht über die Sünder auch«, ließ sich der Mauerläufer vernehmen, »lass ihren Tisch zur Falle werden und zu einer Schlinge, ihnen zum Anstoß und zur Vergeltung.«
»Amen«, fügte der Böhme hinzu. »Ach, es ist schade, wirklich schade, dass jener Engel oder Dämon nur über Schlesien wacht. Auch bei uns in Böhmen mangelt es nicht an Sündern . . . Einige von uns dort im goldenen Prag flehen am Morgen und am Abend, gewisse Sünder möge der Schlag treffen, der Blitz sie erschlagen . . . Oder ein Dämon möge sie ergreifen. Wenn Ihr wollt, gebe ich Euch eine Liste. Mit Namen.«
»Was für eine Liste?«, fragte der Mauerläufer ruhig. »Worum geht es Euch? Was meint Ihr damit? Die Leute, von denen wir hier reden, haben sich schuldig gemacht und hatten Strafe verdient. Und Gott hat sie und ihr sündiges Leben gestraft. Pfefferkorn hat ein Pächter erschlagen, aus Eifersucht, wegen seiner Frau, danach hat er sich erhängt, weil er Reue verspürte. Peter von Bielau hat der eigene Bruder im Wahnsinn erschlagen, ein Magier und Ehebrecher, der nicht bei Verstand war. Albrecht Bart haben die Juden aus Hass getötet, weil er reicher war als sie, einige hat man gefangen gesetzt, sie haben unter der Folter die Wahrheit bekannt. Den Kaufmann Throst haben Räuber ermordet, er streifte gerne nachts umher, da hat es ihn ereilt. Der Kaufmann Neumarkt . . .«
»Genug, genug.« Der Bischof winkte ab. »Hört auf, Ihr langweilt unsern Gast. Wir haben etwas Wichtigeres zu besprechen, lasst uns darauf zurückkommen. Wer von den Prager Herren ist bereit, mit uns zusammenzuarbeiten und zu verhandeln?«
»Verzeiht mir meine Offenheit«, sagte der Böhme nach längerem Schweigen, »aber es wäre besser, wenn einer von den Fürsten Schlesien vertreten würde. Ich kenne zwar die Verhältnisse, aber wir hatten in Prag genügend Verdruss und Ärger mit Radikalen und Fanatikern, Geistliche verbindet man bei uns nur sehr schwer mit . . .«
»Mein Herr, Ihr kennt die Verhältnisse nicht, wenn Ihr katholische Geistliche und Häretiker nicht voneinander unterscheiden könnt.«
»Viele sind der Ansicht«, fuhr der Böhme ungerührt fort, »dass ein Fanatismus dem anderen in nichts nachsteht, dass der römische Fanatismus auch nicht viel besser ist als der vom Tabor. Deshalb . . .«
»Ich bin in Schlesien der Statthalter König Sigismunds«, unterbrach ihn Bischof Konrad erzürnt. »Ich bin ein Piast, von königlichem Geblüt. Die schlesischen Fürsten, meine Verwandten, der gesamte schlesische Adel, alle erkennen sie meine Führungsrolle an und haben mich zum Landeshauptmann gewählt. Ich trage diese schwere Pflicht seit dem St.-Markus-Tag Anno Domini 1422. Lange genug, dass es alle mitbekommen haben dürften. Sogar bei Euch in Böhmen.«
»Das wissen wir, das wissen wir doch. Aber . . .«
»Es gibt kein Aber«, unterbrach ihn der Bischof erneut. »In Schlesien herrsche ich. Wenn ihr verhandeln wollt, dann mit mir. So oder so.«
Der Böhme schwieg lange.
»Ihr liebt es, oh, und wie Ihr es liebt, Exzellenz«, sagte er schließlich. »Ihr liebt es zu herrschen, Euch in die Politik einzumischen, Eure Nase überall hineinzustecken und die Finger überall drin zu haben. Wahrlich, das wird ein schwerer Schlag für Euch, wenn Euch jemand um die Macht bringt, sie Euch abnimmt, sie Euren gierigen Händen entreißt. Wie werdet Ihr das überleben? Wie? Könnt Ihr Euch das vorstellen? Keine Politik mehr! Den lieben langen Tag keine Politik mehr, vom Morgengrauen bis zur Komplet nichts, nur Gebete, Reue,Belehrung, barmherzige Werke. Wie gefällt Euch das? Herr Bischof?«
»Euch würde so etwas gefallen«, erklärte der Piast hochmütig. »Nur, dass Eure Arme dafür zu kurz sind. Ein kluger Kardinal hat einmal gesagt: Das Gebell der Straßenköter hält die Karawane nicht auf. Rom regiert diese Welt und wird sie auch weiterhin regieren. Ich könnte sagen, dass Gott es so will, aber ich werde den Namen des Herrn nicht unnütz führen. So sage ich Euch denn, dass es seine Richtigkeit
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