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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hat, wenn die Macht den besten, den schlausten Köpfen gehört. Und wer, mein Herr, ist besser als wir? Wie? Ihr vielleicht, Herr Ritter?«
    »Es wird sich ein mächtiger König oder Kaiser finden. Der Böhme gab nicht auf. Und dann endet . . .«
    »Endet es mit einem Canossa«, unterbrach ihn der Bischof abermals. »In denselben Mauern, unter denen schon Heinrich IV., der Deutsche, stand. Jener mächtige König, der verlangt hat, dass die Geistlichkeit, also auch Papst Gregor VII., aufhört, sich in die Politik einzumischen und sich stattdessen von der Morgendämmerung bis zur Komplet ausschließlich dem Gebet zu widmen. Und was ist geschehen? Muss ich Euch daran erinnern? Der Prahlhans stand zwei Tage lang barfuß im Schnee, und in der Burg genoss Papst Gregor die Freuden der Tafel und die hoch gerühmten Reize von Markgräfin Mathilde. Und nun lasst uns das unnütze Geschwätz beenden, und zwar mit der Schlussfolgerung, dass man seine Stimme nicht gegen die Kirche erheben soll. Wir werden immer herrschen, bis zum Ende der Welt.«
    »Sogar über das Ende hinaus«, warf der Mauerläufer giftig ein. »Auch im neuen Jerusalem, der goldenen Stadt hinter Jaspismauern, muss die Macht in jemandes Händen sein.«
    »So ist es.« Der Bischof lachte. »Und für die Hunde, die bellen und heulen wie üblich, bleibt nur: Canossa! Reue, Scham, Schnee und erfrorene Füße. Und für uns die warme Kemenate, toskanischer Würzwein und eine willige Markgräfin im Daunenbett.«
    »Dort bei uns«, sagte der Böhme mit dumpfer Stimme, »wetzen die Waisen und die Taboriten schon die Klingen, umwickeln die Dreschflegel und schmieren die Achsen der Wagen. Bald kommen sie hierher. Und nehmen Euch alles. Ihr verliert die Paläste, den Wein, die Markgräfinnen, die Macht, und am Ende sogar Euren wertvollen Kopf. So wird es kommen. Ich könnte sagen, dass Gott es vermutlich so will, aber ich will den Namen des Herrn nicht unnütz führen. Also sage ich: Lasst uns etwas dagegen tun. Lasst uns Gegenmaßnahmen ergreifen.«
    »Ich versichere Euch, der Heilige Vater Martin . . .«
    »Ach lasst mich doch in Ruhe mit dem Heiligen Vater«, brauste der Böhme auf, »mit König Sigismund und mit allen Reichsfürsten, mit diesem ganzen europäischen Jahrmarkt, auf dem einer den anderen übertönt! Mit den Legaten, mit denen, die demnächst die Spenden für den Kreuzzug veruntreuen! Beim Leiden Christi! Ihr lasst uns warten, bis es irgendwann zu einer Einigung kommt? Aber wir blicken jeden Tag dem Tod ins Auge!«
    »Tatenlosigkeit könnt Ihr uns nicht zum Vorwurf machen, Herr«, meldete sich der Mauerläufer zu Wort. »Wir tun etwas, Ihr selbst habt dies zugeben müssen. Wir beten eifrig, und unsere Gebete werden manchmal erhört, und die Sünder ereilt ihre Strafe. Aber der Sünder sind viele, und es kommen immerfort neue hinzu. Wir bitten Euch um weitere Hilfe.«
    »Das heißt, um weitere Namen?«
    Weder der Bischof noch der Mauerläufer beantworteten seine Frage. Der Böhme hatte dies aus nahe liegenden Gründen auch gar nicht erwartet.
    »Wir werden tun, was in unserer Macht steht«, sagte er dann. »Wir schicken Euch Listen mit den Namen der hussitischen Gönner und der Kaufleute, die mit Hussiten Handel treiben. Wir geben Euch die Namen an . . . damit Ihr für diese Leute beten könnt.«
    »Und der Dämon«, auch diesmal hatte keiner dem Böhmen geantwortet, »der Dämon wird wie üblich gezielt und unfehlbarzuschlagen. Oh, solch eine Aktion täte auch bei uns Not, wahrhaftig, sie täte Not . . .«
    »Das ist schwer!«, sagte Konrad mit Entschiedenheit. »Wer wüsste besser als Ihr, dass bei Euch nicht einmal der Teufel alle Parteiungen kennt. Dass man nicht errät, wer es mit wem hält und gegen wen, und ob am Dienstag noch mit denselben wie am Montag. Papst Martin und König Sigismund wollen sich mit den Hussiten einigen. Mit den Vernünftigen. Zumindest mit solchen, wie Ihr es seid. Glaubt Ihr, es hätte nicht genug Freiwillige für einen Anschlag auf Žižka gegeben? Wir haben unser Einverständnis dazu nicht erteilt. Hätten wir ganz bestimmte Personen aus dem Weg geräumt, hätte dies ins Chaos und zur völligen Anarchie geführt. Weder der König noch der Papst wünschen dies in Böhmen.«
    »Das könnt Ihr diesem Legaten erzählen, diesem Orsini«, der Böhme lachte herablassend, »mir aber erspart diese Phrasen. Und strengt Euren ach so schlauen Kopf an, Bischof. Denkt an unsere gemeinsamen Interessen.«
    »Wer soll sterben, Euer

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