Narrenturm - Roman
hatten in der Nähe von Crossen Besitz, der ihnen noch von Bolesław Rogatek verliehen worden war. Und so war es dann gekommen, dass Huon Formosa, die Witwe Otto von Krossigs, die eigentliche Herrin – und zwar solangesie lebte – auf Schloss Bodak kennen gelernt hatte. Huon war Formosa aufgefallen. Seither wohnte er im Schloss.
»Ich hatte solche Sehnsucht«, wiederholte Formosa, stellte sich auf die Spitzen ihrer rosa Schuhe und küsste den Magier auf die Wange.
»Kleide dich um, mein Lieber. Und Euch, Ihr Herren, bitte ich herein, bitte herein . . .«
Auf den riesigen Eichentisch, der in der Mitte der Halle stand, blickte über dem Kamin ein Wildschwein, das Wappentier der Krossigs, herab, was ihm auf dem verrußten und spinnwebenüberzogenen Wappenschild Gesellschaft leistete, war nicht recht auszumachen. Die Wände waren mit Fellen und Waffen behängt, aber nichts davon schien für den Gebrauch geeignet. Eine Wand nahm ein in Arras gewebter Gobelin ein, auf dem Abraham, Isaak und ein im Dickicht verheddertes Lamm dargestellt waren.
Die
comitiva
setzte sich in ihren von der Rüstung stark abgeschabten Wämsern an den Tisch. Die Stimmung, zu Beginn eher düster, verbesserte sich durch das Fässchen ein wenig, das auf den Tisch gestellt wurde. Aber gleich darauf wurde sie durch die aus der Küche zurückkehrende Formosa verdorben.
»Ich seh’ wohl nicht recht?«, fragte sie drohend und wies auf Nicoletta. »Buko! Du hast die Tochter des Herrn auf Stolz geraubt?«
»Ich hab’s dem Hurensohn gesagt«, knurrte Buko zu Weyrach hinüber, »dass er nicht reden soll . . . Dieser verdammte Gaukler, der kann nicht mal ein halbes Vaterunser lang seine Klappe halten . . . Khmmmm . . . Eben wollte ich Euch alles berichten, Frau Mutter. Und Euch alles erklären. Es ist so gekommen . . .«
»Wie es gekommen ist, weiß ich bereits«, unterbrach ihn Formosa, die anscheinend recht gut informiert war. »Ihr Tröpfe! Eine Woche habt ihr verbummelt, und die Beute hat euch ein anderer vor der Nase weggeschnappt . . . Über die jungen Leutewundere ich mich nicht, aber Ihr, Herr von Weyrach . . . Ein erwachsener, gestandener Mann . . .«
Sie lächelte Notker an, dieser senkte die Augen und fluchte lautlos. Buko wollte laut fluchen, aber Formosa drohte ihm mit dem Finger.
»Und dann raubt dieser Blödian zuletzt auch noch die Tochter von Johann von Biberstein«, fuhr sie fort. »Buko! Hast du jetzt auch noch dein letztes Restchen Verstand verloren?«
»Ihr solltet uns besser erst etwas zu essen geben, Frau Mutter«, bemerkte der Raubritter böse. »Wir sitzen hier am Tisch wie Fische auf dem Trocknen, hungrig und durstig, es ist eine Schande vor den Gästen. Seit wann herrschen bei den Krossigs solche Sitten? Bringt das Essen, über das Geschäft reden wir später.«
»Das Essen wird zubereitet, es wird gleich aufgetragen werden. Und den Trank bringen sie schon. Lehre du mich keine Sitten! Verzeiht, ihr Ritter. Aber Euch, edler Herr, kenne ich nicht . . . Auch dich nicht, werter Jüngling . . .«
»Jener nennt sich Scharley«, Buko erinnerte sich seiner Pflichten, »und der junge Kerl ist Reinmar von Hagenau.«
»Ach, ein Nachkomme des berühmten Poeten?«
»Nein.«
Huon von Sagar betrat die Halle, in einer bequemen
houppelande
mit einem riesigen Pelzkragen. Sofort zeigte sich, dass er sich der größten Wertschätzung seitens der Schlossherrin erfreute. Huon bekam sogleich ein gebratenes Huhn, eine Schüssel Piroggen und einen Pokal mit Wein vorgesetzt, Formosa bediente ihn selbst. Ungeniert begann der Magier zu essen, die hungrigen Blicke der Gesellschaft ertrug er mit hochmütiger Gelassenheit. Zum Glück mussten die anderen nicht lange warten. Auf den Tisch kam zur allgemeinen Freude eine große Schüssel gedünstetes Schweinefleisch mit Rosinen, deren köstliches Aroma ihr voranschwebte. Dann wurde eine zweite Schüssel aufgetragen, ebenso reichlich gefüllt mit Lammfleisch in Safran, dann eine weitere mit Frikasseevon Wild, dann folgten die Töpfe mit Grütze. Mit ebenso großer Ausgelassenheit begrüßte man einige Krüge, die – wie sofort festgestellt wurde – Met und Wein aus Ungarn enthielten.
Würdig schweigend begann die Gesellschaft zu essen, man vernahm lediglich Kaugeräusche, hin und wieder wurde ein Trinkspruch ausgebracht. Reynevan aß vorsichtig und nahm wenig zu sich – die Abenteuer des letzten Monats hatten ihn gelehrt, welch böse Folgen Völlerei nach langem Fasten nach sich
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