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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Humor in einem kurzen Wort zusammen. Reynevan sah sich um. Er erblickte eine zinnenbewehrte Mauer mit Schießscharten. Ein Tor, darüber einen viereckigen Wachturm. Und einen anderen Turm, der alles andere überragte.
    »Schloss Bodak«, erklärte Hubertl. »Wir sind zu Hause.«
    »Der Zugang zu eurem Haus ist einigermaßen mühselig«, bemerkte Scharley. »Was tut ihr, wenn euch der Magier einmal nicht begleitet? Übernachtet ihr dann im Freien?«
    »Ach woher denn. Es gibt einen zweiten Weg, von Glatz her, oh, da entlang geht der. Aber dort lang ist es weiter, ho, ho, ho, da hätten wir gut bis Mitternacht reiten müssen . . .«
    Während Scharley mit dem Knappen sprach, wechselten Reynevan und Nicoletta einen Blick. Das Mädchen blickte verstört um sich, als sei ihr erst jetzt, beim Anblick des Schlosses,der Ernst der Lage klar geworden. Zum ersten Mal, so schien es, beruhigten und munterten Reynevans Blicksignale sie auf. Sie schienen zu sagen: Keine Angst. Halte durch. Ich bringe dich von hier fort. Ich schwöre es dir.
    Knarrend öffnete sich das Tor. Dahinter lag ein kleiner Hof. Und einige Knechte, die Buko von Krossig mit einem Fluch begrüßte, weil sie zögerten, und die er zur Arbeit antrieb, indem er ihnen befahl, sich um die Pferde, die Rüstungen, das Bad und um Essen und Trinken zu kümmern. Alles auf einmal und alles gleichzeitig, auf der Stelle und sofort.
    »Willkommen«, sagte der Raubritter, »auf meinem
patrimonium
, meine Herren. Auf Schloss Bodak.«
     
    Formosa von Krossig musste einst eine sehr schöne Frau gewesen sein. Aber wie viele schöne Frauen hatte sie sich, als ihre Jugendjahre vorüber waren, in ein hässliches Frauenzimmer verwandelt. Ihre Figur, welche man früher gewiss mit der einer jungen Birke verglichen hatte, ähnelte nun eher einem alten Reisigbesen. Ihre Haut, welche man früher, um ihr zu schmeicheln, vermutlich mit der eines Pfirsichs verglichen hatte, war trocken und fleckig geworden, sie spannte über den Wangenknochen wie Leder über dem Leisten, wodurch ihre große Nase, wahrscheinlich einst als reizend gepriesen, wie die einer scheußlichen Hexe erschien   – Weiber mit weitaus kürzeren und weniger gekrümmten Nasen hatte man in Schlesien in Flüssen und Teichen ertränkt.
    Wie viele Frauen, die früher einmal schön gewesen waren, beachtete Formosa von Krossig, unbelehrbar, wie sie war, dieses »früher« nicht, sie ignorierte die Tatsache, dass der Lenz des Lebens schon längst hinter ihr lag. Dass der Winter vor der Tür stand. Das zeigte sich besonders darin, wie sich Formosa kleidete. Alles, was sie trug, von den Schuhen in giftigem Rosa bis zum neckische Käppchen, das zarte, weiße Gebende, den
couvrechef
aus Musselin, das enge Kleid in hellem Indigo, den perlenbestickten Gürtel, den scharlachroten
surcôte
– all das hätte besser zu einem jungen Mädchen gepasst.
    Und zu allem Überfluss gab sich Formosa von Krossig, sobald sie auf Männer traf, unwillkürlich verführerisch. Mit verheerenden Folgen.
    »Ein Gast im Haus bedeutet Gott im Haus!« Formosa von Krossig lächelte Scharley und Notker Weyrach zu und zeigte dabei ihre gelben Zähne. »Ich begrüße die Herren auf meinem Schloss. Endlich bist du da, Huon. Ich habe mich sehr, so sehr nach dir gesehnt.«
    Aus einigen unterwegs aufgeschnappten Äußerungen konnte sich Reynevan eine Vorstellung von der Situation machen. Natürlich eine eher vage, Einzelheiten fehlten. Er konnte zum Beispiel nicht wissen, dass Formosa von Pannewitz Schloss Bodak mit in die Ehe gebracht hatte, als sie Otto von Krossig, einen verarmten, aber stolzen Nachkommen fränkischer Ministerialen, aus Liebe heiratete. Und dass Buko, ihr Sohn, der das Schloss sein
patrimonium
nannte, es mit der Wahrheit ganz und gar nicht genau nahm. Die Bezeichnung
matrimonium
wäre nämlich zutreffender gewesen, allerdings zu früh gekommen. Nach dem Tode ihres Gatten hatte Formosa dank der Unterstützung durch ihre Familie, der mächtigen Pannewitz’ aus Schlesien, die bauliche Substanz des Schlosses bewahren können. Und von den Pannewitz’ gestützt, war sie, solange sie lebte, die eigentliche Schlossherrin.
    Darüber, was Formosa mit Huon von Sagar verband, hatte Reynevan unterwegs auch dieses und jenes gehört   – genug, um einigermaßen im Bilde zu sein. Natürlich wusste er nicht, dass der von der Inquisition des Erzbischofs von Magdeburg verfolgte und gejagte Magier zu Verwandten nach Schlesien geflohen war   – die Sagars

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