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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ziehen konnte. Er hoffte, dass man auf Bodak die Knechte nicht vergaß, und dass Samson nicht zum Fasten verurteilt sein würde.
    Das alles dauerte einige Zeit. Endlich löste Buko von Krossig seinen Gürtel und rülpste.
    »Jetzt«, sagte Formosa, zu Recht annehmend, dass dies das Zeichen war, den ersten Gang zu beenden, »ist es wohl an der Zeit, dass wir übers Geschäft reden. Obwohl mir scheint, es gibt da nicht viel zu reden. Denn die Tochter von Biberstein ist ein schlechtes Geschäft.«
    »Das Geschäft, Frau Mutter«, erwiderte Buko, der durch den Ungarwein zu deutlich mehr Verstand gekommen war, »ist meine Angelegenheit, bei allem Respekt. Ich gehe den Geschäften nach, ich bringe Raubgut ins Schloss. Es ist meine Arbeit, durch die hier alle gespeist, getränkt und gekleidet werden. Ich setze mein Leben aufs Spiel, und wenn es nach Gottes Willen einmal mit mir zu Ende geht, dann wird, Ihr werdet es schon sehen, Schmalhans Küchenmeister. Also missbilligt es nicht!«
    »Seht nur«, Formosa stemmte die Fäuste in die Hüften und wandte sich den Raubrittern zu, »seht doch nur, wie er sich aufplustert, mein Jüngster. Er speist und kleidet mich, ach du liebe Zeit, ich platze gleich vor Lachen. Ich würde schön dastehen, wenn ich nur auf ihn angewiesen wäre. Zum Glück gibt es hier auf Bodak einen großen Keller mit Truhen darin, und in den Truhen das, was dein Vater hineingelegt hat, du Bengel,und deine Brüder, Gott sei ihrer Seele gnädig. Sie haben es verstanden, Beute nach Hause zu bringen, sie haben sich nicht zum Gespött machen lassen. Sie haben keine Töchter von Magnaten geraubt, wie nur Dummköpfe es tun . . . Sie wussten, was sie taten . . .«
    »Ich weiß auch, was ich tue! Der Herr auf Stolz wird Lösegeld zahlen . . .«
    »Gerade der!«, unterbrach ihn Formosa. »Biberstein? Der wird zahlen? Bist du verrückt! Der schreibt die Tochter ab, dann überfällt er dich und nimmt Rache an dir. Ähnliches ist schon in der Lausitz geschehen, du wüsstest davon, wenn du Ohren hättest zu hören. Dann hättest du daran gedacht, was mit Wolf Schlitter geschehen ist, als der so etwas mit Friedrich von Biberstein, dem Herrn auf Sorau, versucht hat. Mit welcher Münze es ihm der Herr auf Sorau heimgezahlt hat.«
    »Ich habe davon gehört«, bestätigte Huon von Sagar gleichmütig. »Die Sache war ja weithin bekannt . . . Bibersteins Leute haben Wolf überfallen, ihn wie ein Tier mit Spießen durchbohrt, ihn kastriert und ihm das Gedärm herausgerissen. Danach ging in der Lausitz das Wort um: Lange hat der Wolf gejagt, bis aufs Geweih des Hirschen er traf, da hat er den Stoß gespürt . . .«
    »Herr von Sagar«, unterbrach ihn Buko ungeduldig, »das ist für mich nichts Neues, dass Ihr alles gehört habt, alles wisst und alles könnt. Vielleicht zeigt Ihr uns einmal Eure ärztliche Kunst, statt in Erinnerungen zu schwelgen. Herr Woldan stöhnt vor Schmerzen, Paszko Rymbaba spuckt Blut, allen tun die Knochen weh, vielleicht bereitet Ihr besser Arzneien zu, als kluge Reden zu halten? Wozu habt Ihr Euer Laboratorium im Turm, he? Nur um den Teufel zu beschwören?«
    »Pass auf, zu wem du sprichst«, fuhr Formosa auf, aber der Magier beruhigte sie mit einer Geste.
    »Den Leidenden soll selbstverständlich Linderung zuteil werden«, sagte er und stand vom Tisch auf. »Möchte Herr Reinmar Hagenau mir dabei helfen?«
    »Natürlich.« Reynevan stand ebenfalls auf. »Das ist doch selbstverständlich, Herr von Sagar.«
    Beide gingen hinaus.
    »Beide sind sie Zauberer«, knurrte ihnen Buko hinterher. »Der Alte wie der Junge. Teufelssamen . . .«
     
    Das Kabinett des Magiers befand sich im höchsten Geschoss des Turmes, dort, wo es am kältesten war. Vom Fenster aus hätte man, wäre nicht schon die Dunkelheit hereingebrochen, einen Großteil des Glatzer Kessels überblicken können. Reynevans geübtes Auge erfasste sogleich, wie modern das Laboratorium war. Anders als die Magier und Alchemisten der Vergangenheit, deren Arbeitsstätten oft mit allem möglichen Unrat angefüllten Rumpelkammern glichen, zogen die Magier der Moderne spartanisch ausgestattete Laboratorien vor, die nur enthielten, was absolut notwendig war, und zwar nicht nur deshalb, weil es ordentlich und ästhetisch aussah, sondern auch, weil dadurch eine Flucht leichter zu bewerkstelligen war. Die von der Inquisition bedrohten Alchemisten der Moderne flohen bevorzugt nach dem Prinzip
omnia mea mecum porto,
und bedauerten nicht, ihre Räumlichkeiten

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