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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Herzog ergriff nach längerem, dramatischem Schweigen wieder das Wort, »zum einen bin ich nicht Pilatus. Zum zweiten lasse ich, mit Rücksicht auf deinen Vater, der bei Tannenberg an der Seite meines Bruders gefallen ist, nicht zu, dass du in einem dummen Familienzwist ermordet wirst. Zum dritten wird es höchste Zeit, die Familienfehden zu unterbinden und zu leben, wie es sich für einen Europäer geziemt. So viel dazu. Ich erlaube dir, in meinem Gefolge zu reisen, sogar bis Breslau. Aber komm’ mir nicht unter die Augen. Dein Anblick erfreut mich nicht.«
    »Euer Gnaden . . .«
    »Hinweg, sagte ich.«
    Die Jagd war ein für allemal beendet. Den Falken wurden wieder ihre Hauben über die Köpfe gezogen, die erlegten Enten und Reiher baumelten an den Leiterwagen, der Herzog war es zufrieden, sein Gefolge ebenfalls, denn die sich als länger ankündigende Jagd hatte gar nicht so lange gedauert.Reynevan erntete mehrere dankbare Blicke   – beim Gefolge hatte schon die Runde gemacht, dass der Herzog seinetwegen die Jagd abgebrochen und die Reise wieder aufgenommen hatte. Reynevan hegte berechtigte Bedenken, dass nicht nur das sich herumgesprochen hatte. Die Ohren brannten ihm, so angestrengt wurde er von allen beobachtet.
    »Alle«, brummte der neben ihm reitende Benno Ebersbach, »wissen immer alles.«
    »Alle«, bekräftigte der Ritter aus Oels, nicht gerade fröhlich. »Aber zu deinem Glück wissen sie nicht alles.«
    »He?«
    »Spielst du den Dummen, Bielau?«, fragte Ebersbach, ohne die Stimme zu heben. »Kantner hätte dich mir nichts, dir nichts davongejagt, ja dich vielleicht in Fesseln zum Kastellan bringen lassen, wenn er wüsste, dass es in Oels einen Toten gegeben hat. Ja, ja, mach nur nicht so große Augen. Der junge Niklas von Sterz ist tot. Gelfrad Hörner aufzusetzen, ist die eine Sache, aber den Tod des erschlagenen Bruders werden dir die Brüder Sterz im Leben nicht verzeihen.«
    »Ich habe Niklas«, sagte Reynevan, nachdem er mehrmals tief ein- und ausgeatmet hatte, »nicht einmal mit dem kleinen Finger angerührt. Ich schwör’s!«
    »Und um das Ganze abzurunden«, meinte Ebersbach, sich offensichtlich nicht im Geringsten um den Schwur kümmernd, »hat dich die schöne Adele auch noch der Zauberei bezichtigt. Du habest sie behext und ihre Wehrlosigkeit ausgenutzt.«
    »Wenn das wahr ist, dann hat man sie dazu gezwungen«, antwortete Reynevan nach einer Weile. »Sie mit dem Tode bedroht. Sie haben sie doch in der Hand . . .«
    »Haben sie nicht«, entgegnete Ebersbach. »Von den Augustinern, wo sie dich öffentlich der Hexerei beschuldigt hat, ist die schöne Adele nach Ellguth geflohen. In die Mauern des Zisterzienserinnenklosters.«
    Reynevan atmete erleichtert auf.
    »Ich glaube nicht an diese Beschuldigungen«, wiederholte er. »Sie liebt mich. Und ich liebe sie.«
    »Wie schön!«
    »Ach, wenn du wüsstest, wie schön!«
    »So richtig schön ist es erst dann geworden, als sie dein Kabinett durchsucht haben.«
    Ebersbach sah ihm in die Augen.
    »Ha! Das habe ich befürchtet.«
    »Zu Recht! Meiner bescheidenen Ansicht nach hast du die Inquisition nur deshalb noch nicht auf dem Hals, weil das ganze Teufelswerk, das sie bei dir gefunden haben, noch nicht inventarisiert ist. Vor den Sterz’ kann Kantner dich schützen, vor der Inquisition eher weniger. Wenn das mit deiner Zauberei die Runde macht, liefert er dich ihnen eigenhändig aus. Reite nicht mit uns nach Breslau, Reynevan. Trenne dich vorher von uns, flieh und verbirg dich irgendwo. Ich rate es dir in bester Absicht.«
    Reynevan gab keine Antwort.
    »Nur so nebenbei«, fragte Ebersbach wie unabsichtlich, »kennst du dich wirklich mit Magie aus? Denn siehst du, ich habe da kürzlich ein Fräulein kennen gelernt . . . Ja . . . Wie soll ich das sagen . . . Ich könnte ein Elixier gebrauchen . . .«
    Reynevan gab keine Antwort. An der Spitze des Zuges ertönte ein Ruf.
    »Was ist los?«
    »Peuke!«, erriet Hirsch Krompusch und trieb sein Pferd an. »Die Schenke ›Zum Ganter‹«.
    »Gott sei Dank«, fügte Jaksa von Wiese halblaut hinzu, »diese ganze beschissene Jagd hat mich verdammt hungrig gemacht.«
    Reynevan antwortete auch diesmal nicht. Aber sein ein ums andere Mal deutlich zu vernehmendes Magenknurren sprach für sich selbst.
    Die Schenke »Zum Ganter« war groß und gewiss weithin bekannt, denn es waren zahlreiche Gäste da, sowohl ortsansässige wie auch fremde, was sich an den Pferden, den Wagen und denherumwuselnden Knappen und

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