Narrenturm - Roman
ist!«
Bier spritzte aus seinem Humpen, Agnes Kantner zuckte unwillkürlich zurück und hielt den Kapaunschenkel wie einen Schutzschild vor sich.
»Wollt Ihr Beispiele? Damit kann ich dienen! Massaker an den Nonnen von Böhmisch-Brod und Pomuko, ermordete Zisterzienser in Zbraslav, Velehrad und Mnichove Hradišti, ermordete Dominikaner in Písek, Benediktinerinnen in Kladrau und Postelberg, hingemordet die unschuldigen Prämonstratenserinnen in Chotěšov, ermordet die Kapläne in Böhmisch-Brod und Jaromir, geplündert und gebrandschatzt die Klöster in Kolín, Milevsko und Zlata Koruna, geschändet die Altäre in Břevnov und Vodňany . . . Und was hat Žižka, dieser tollwütige Hund, dieser Antichrist, diese Satansbrut angerichtet? Bluttaten in Komotau und Prachatice, vierzig Priester in Berounlebendig verbrannt, gebrandschatzte Klöster in Sázava und Vilémov, Sakrilege, wie sie kein Türke wagen würde, scheußliche Verbrechen und Grausamkeiten, bei deren Anblick ein Sarazene erschauern würde! Wahrlich, mein Gott, wie lange noch willst du dein Gericht und die Strafe für unser vergossenes Blut hinauszögern?«
Die Stille, in der nur das Gebetsgemurmel des Kaplans von Oels zu hören war, wurde von der tiefen, vollen Stimme des dunkelgesichtigen, breitschultrigen Ritters unterbrochen, des Gastes von Herzog Konrad Kantner.
»Dazu musste es nicht kommen.«
»Wie bitte?« Der Dominikaner hob ungläubig den Kopf. »Was wollt Ihr damit sagen, Herr?«
»Dass man es leicht hätte verhindern können. Es hätte genügt, Jan Hus in Konstanz nicht zu verbrennen.«
»Ihr habt schon dort den Ketzer verteidigt. Der Böhme zwinkert nervös. Ihr habt geschrien, protestiert, Petitionen eingereicht, ich weiß. Unmoralisch wart Ihr damals und seid es jetzt. Die Häresie verbreitet sich wie Unkraut, und die Heilige Schrift lehrt, dass Unkraut durch Feuer ausgemerzt werden muss. Die päpstlichen Bullen . . .«
»Überlasst die Bullen den Disputen des Vatikanischen Konzils«, unterbrach ihn der Dunkelgesichtige, »in einer Schankstube klingt das lächerlich. Aber in Konstanz hatte ich Recht, da könnt Ihr sagen, was Ihr wollt. Der Luxemburger hat mit königlichem Wort und Freibrief dem Hus Sicherheit garantiert. Wort und Eid hat er gebrochen und damit Monarchen- und Ritterehre befleckt. Da konnte ich nicht ruhig zusehen. Und wollte es nicht.«
»Der Ritterschwur«, knurrte Jan Nejedlý, »soll im Dienste Gottes geleistet werden, egal, wer ihn schwört, Knappe oder König. Nennt Ihr das einen göttlichen Dienst, einem Ketzer Eid und Wort zu halten? Nennt Ihr das Ehre? Ich nenne das Sünde.«
»Wenn ich mein Ritterwort gebe, so im Angesicht Gottes. Deswegen halte ich es auch, sogar gegenüber einem Türken.«
»Einem Türken gegenüber kann man es halten. Einem Häretiker gegenüber darf man es nicht halten.«
»In der Tat«, bekräftigte Maciej Korzbok, der Offizial von Posen, mit ernster Miene. »Der Maure oder Türke lebt als Heide, in Dunkel und Wildheit. Er kann bekehrt werden. Ein Abtrünniger und Schismatiker hingegen wendet sich von Glauben und Kirche ab, spottet ihrer, lästert sie. Deswegen ist er Gott auch hundertmal mehr verhasst. Und jede Art, die Häresie zu bekämpfen, ist gut. Deswegen wird keiner, der gegen einen Wolf oder einen tollwütigen Hund losgeht, wenn er vernünftig ist, um Ehre und Ritterwort streiten! Gegen die Häresie ist alles erlaubt.«
»In Krakau«, Kantners Gast wandte ihm sein brennend rotes Gesicht zu, »missachtet der Kanonikus Jan Elgot das Beichtgeheimnis, wenn es darum geht, einen Ketzer zu fangen. Bischof Andreas Łaskarz, dem Ihr dient, empfiehlt dasselbe den Priestern der Diözese Posen. Alles ist erlaubt. In der Tat.«
»Ihr verhehlt Eure Sympathien nicht, Herr«, sagte Jan Nejedlý von Vysoké bitter. »Ich werde meine auch nicht verhehlen. Und ich wiederhole: Jan Hus war ein Ketzer und musste auf den Scheiterhaufen. Der römische König und König von Ungarn und Böhmen hat richtig gehandelt, wenn er das dem böhmischen Häretiker gegebene Wort brach.«
»Und deswegen«, entgegnete der Dunkelgesichtige, »lieben ihn die Böhmen jetzt auch so sehr. Aus diesem Grunde ist er vom Vyšehrad geflohen, die böhmische Krone unter dem Arm. Und jetzt regiert er die Böhmen, aber von Buda aus, denn auf den Vyšehrad lassen sie ihn nicht so schnell wieder.«
»Ihr erlaubt Euch, über König Sigismund zu spotten«, bemerkte Melchior Barfuß. »Aber Ihr dient ihm doch.«
»Eben
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