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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Herzog jagte also wie ein Besessener durch Schilf undSchwemmland, und mit ihm   – ebenso tapfer, obgleich eher aus Pflichtgefühl   – seine älteste Tochter Agnes, der Seneschall Rüdiger Haugwitz und einige karriereversessene Pagen.
    Der Rest des Zuges wartete am Waldrand. Ohne vom Pferd zu steigen, denn niemand konnte wissen, wann der Herzog von der Jagd genug hatte. Der ausländische Gast des Herzogs gähnte diskret. Der Kaplan brummte, gewiss ein Gebet, der Kämmerer zählte, gewiss das Geld, die Minnesänger dichteten, gewiss neue Verse, die Frauenzimmer der Prinzessin Agnes klatschten, gewiss über andere Frauenzimmer, und die jungen Ritter vertrieben ihre Langeweile, indem sie das umliegende Gebüsch durchkämmten.
    »Hirsch!«
    Henryk Krompusch brachte sein Pferd zum Stehen, wendete und wunderte sich; dann lauschte er angestrengt und versuchte herauszufinden, wer ihn da aus dem Gebüsch leise bei seinem Spitznamen rief.
    »Hirsch!«
    »Wer ist da? Zeig dich!«
    Die Büsche raschelten.
    »Heilige Hedwig . . .« Krompusch riss erstaunt den Mund auf, »Reynevan? Du?«
    »Nein, die heilige Hedwig«, erwiderte Reynevan mit einer Stimme, die so sauer klang wie die Stachelbeeren im Mai. »Hirsch, ich brauche Hilfe! Wessen Zug ist das? Kantners?«
    Noch bevor es Krompusch dämmerte, waren schon zwei weitere Ritter aus Oels zu ihm gestoßen.
    »Reynevan!«, jammerte Jaksa von Wiese. »Um Christi willen, wie siehst du denn aus!«
    Ich möchte wissen, dachte Reynevan, wie du aussehen würdest, wenn du gleich hinter Ludwigsdorf vom Pferd gefallen wärst. Wenn du die ganze Nacht durch die Sümpfe und Einöden am Schwiersebach hättest irren müssen und am Morgen die durchgeweichten und schlammbedeckten Kleider gegen einen vom Zaum stibitzten Bauernkittel getauscht hättest. Ich würdegerne sehen, wie du dann ausschauen würdest, du gelacktes Herrensöhnchen. Der sie mit einem finsteren Blick messende dritte Ritter aus Oels, Benno Ebersbach, dachte wohl ebenso.
    »Gebt ihm lieber ein paar Kleider, anstatt euch zu wundern. Zieh diese Lumpen aus, Bielau. Also, Ihr Herren, holt aus den Packsätteln, was Ihr dabeihabt.«
    »Reynevan«, Krompusch war immer noch nicht ganz zu sich gekommen, »bist du das?«
    Reynevan antwortete nicht. Er streifte Hemd und Wams über, die ihm zugeworfen worden waren. Er war so wütend, dass er den Tränen nahe war.
    »Ich brauche Hilfe . . .«, wiederholte er. »Ich brauche sie sogar sehr dringend.«
    »Wir sehen es, und wir wissen es«, bestätigte Ebersbach kopfnickend. »Wir sind auch der Ansicht, dass du Hilfe brauchst. Dass du ganz gewiss Hilfe brauchst. Komm. Du musst dich Haugwitz zeigen. Und dem Herzog.«
    »Weiß er’s?«
    »Alle wissen es. Die Geschichte ist allen bekannt.«
     
    Während Konrad Kantner mit seinem schmalen Gesicht, das durch eine Stirnglatze noch verlängert wurde, dem schwarzen Bart und den forschenden Mönchsaugen nicht gerade aussah wie ein typischer Repräsentant der Dynastie, so konnte es bei seiner Tochter Agnes keinen Zweifel geben   – dies Äpfelchen war nicht weit vom schlesisch-masowischen Stamm herabgefallen. Die Prinzessin hatte blondes Haar, helle Augen und das kleine, lustige Stupsnäschen einer Piasten-Tochter, das schon durch die berühmte Figur im Naumburger Dom Unsterblichkeit erlangt hatte. Agnes Kantner war, Reynevan rechnete schnell nach, um die fünfzehn Jahre alt, musste also gewiss schon jemandem anverlobt sein. Reynevan fiel kein Gerücht darüber ein.
    »Erhebe dich!«
    Er stand auf.
    »Wisse«, sprach der Herzog, ihn mit einem glühenden Blick durchbohrend, »dass ich deine Tat nicht gutheißen kann. Bah! Ich halte sie für schandbar, tadelnswert und sträflich. Und ich rate dir aufrichtig zu Reue und Buße, Reinmar Bielau. Mein Kaplan hat mir versichert, dass es in der Hölle spezielle Enklaven für Ehebrecher gibt. Die bösen Geister peinigen dort die Sünder an den Werkzeugen ihrer Sünde. Auf Einzelheiten will ich mit Rücksicht auf die Anwesenheit eines jungen Mädchens nicht eingehen.«
    Der Seneschall Rüdiger Haugwitz schnaubte verächtlich. Reynevan schwieg.
    »Welcher Art die Genugtuung ist, die du Gelfrad von Sterz geben wirst, ist deine und seine Angelegenheit. Da will ich mich nicht einmischen, zumal ihr beide nicht meine, sondern Vasallen des Herzogs Johann von Münsterberg seid. Und im Grunde genommen sollte ich dich nach Münsterberg schicken. Und meine Hände in Unschuld waschen.«
    Reynevan schluckte.
    »Aber«, der

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