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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nicht unterlegen . . . Aber vielleicht war da Zauber oder Hexerei im Spiel. Sie behaupten, dass jener Frauenheld ein Zauberer ist.«
    »Heilige Gottesmutter!«, rief Dorothea Faber aus, und Pfarrer Philip bekreuzigte sich vorsichtshalber.
    »Außerdem«, schloss Neudeck, »wird sich weisen, wie und was war. Denn wenn wir diesen Schelm erwischen, dann werden wir ihn schon nach Einzelheiten befragen, oho! Und wie wir ihn befragen werden . . .! Ihn zu erkennen, wird nicht schwer sein. Wir wissen, dass er sich gern in Händel einlässt und einen Grauschimmel reitet. Wenn Ihr so einem begegnet . . .«
    »Werden wir nicht versäumen, es zu melden«, versprach Urban Horn ruhig. »Ein Jüngling, der auf Händel aus ist, und ein Grauschimmel   – das kann man kaum übersehen. Da kann man sich auch kaum irren. Lebt wohl!«
    »Wissen die Herren vielleicht, ob sich der Breslauer Kanonikus weiterhin in Strehlen aufhält?«, erkundigte sich Pfarrer Granciszek neugierig.
    »In der Tat. Er hält Gericht bei den Dominikanern.«
    »Ist das Seine Liebden Notarius Lichtenberg?«
    »Nein«, erwiderte von Rochow. »Er heißt Beess, Otto Beess . . .«
    »Otto Beess, der Präpositus von St. Johannes dem Täufer«, brummte der Pfarrer vor sich hin, als die Ritter des Herrn Starosten ihres Weges zogen und Dorothea Faber den Wallach antrieb. »Ein gestrenger Herr. »Ein sehr gestrenger. O Rabbi, da gibt es wenig Hoffnung, dass er dir Gehör schenkt.«
    »Aber nein.« Reynevan, der seit ein paar Augenblicken wieder frohgestimmt dreinblickte, meldete sich zu Wort. »Ihr werdet empfangen werden, Rabbi Hiram, ich verspreche es Euch.«
    Alle sahen ihn an. Reynevan aber lächelte nur geheimnisvoll. Dann hüpfte er vergnügt vom Wagen herunter und lief neben diesem her. Er blieb etwas zurück, daraufhin ritt Horn zu ihm heran.
    »Jetzt siehst du es«, Reinmar Bielau, sagte er leise, »wie das ist. Wie schnell man berühmt wird. In der Gegend ziehen bezahlte Übeltäter, Lumpen vom Schlage eines Kyrieleison oder Walter de Barby umher, und wird jemand erschlagen, fällt der erste Verdacht auf dich. Erkennst du die Ironie des Schicksals?«
    »Ich erkenne zwei Dinge«, knurrte Reynevan ebenso leise. »Erstens weißt du, wer ich bin. Und das gewiss von Anfang an.«
    »Gewiss. Und zweitens?«
    »Dass du diesen Ermordeten gekannt hast. Jenen Albrecht Bart von Karzen. Und ich wette meinen Kopf darauf, dass du gerade nach Karzen reitest. Oder reiten wolltest.«
    »Da kann man mal sehen, wie schlau du doch bist«, sagte Horn nach einer Weile. »Und wie selbstbewusst. Ich weiß sogar, woher diese Selbstsicherheit stammt. Es ist immer gut, Bekannte in hohen Ämtern zu haben, wie? Unter den Breslauer Kanonikern? Da fühlt sich der Mensch doch gleich besser. Und sicherer. Aber dieses Gefühl täuscht manchmal, oh! Und wie das täuscht!«
    »Ich weiß.« Reynevan nickte. »Die ganze Zeit denke ich an den Verdacht. An das Fluidum und die Launen.«
    »Es wird gut sein, wenn du daran denkst.«
     
    Der Weg führte zu einem Hügel, auf dem ein Galgen stand, von dem drei Gehängte herabbaumelten, ausgedörrt wie Stockfische. Unten im Tal breitete sich vor den Reisenden Strehlen aus, mit seiner bunten Vorstadt, der Stadtmauer, dem Schloss aus der Zeit Boleks des Strengen, der uralten Rotunde des heiligen Gotthard und den neuen Türmen der Klosterkirchen.
    »Oh«, mutmaßte Dorothea Faber, »da tut sich was. Ist heute ein Fest oder so etwas Ähnliches?«
    Und wirklich, auf der freien Fläche vor der Stadtmauer hatte sich ein ziemlich großer Haufen Volkes versammelt. Vom Stadttor her sah man einen Zug nahen, der sich in diese Richtung bewegte.
    »Wohl eine Prozession.«
    »Eher ein Mysterium«, meinte Granciszek. »Heute ist der vierzehnte August, der Vorabend von Mariä Himmelfahrt. Fahren wir, fahren wir, Fräulein Dorothea. Dann werden wir es aus der Nähe sehen.«
    Dorothea schnalzte mit der Zunge und trieb den Wallach an. Urban Horn rief die Dogge zu sich und legte ihr die Leine an, sich dessen wohl bewusst, dass selbst ein so kluger Hund wie Beelzebub in solch einer Menge die Beherrschung verlieren konnte.
    Der von der Stadt herannahende Zug war schon so weit vorangekommen, dass man darin Geistliche in liturgischen Gewändern ausmachen konnte, einige Dominikaner in schwarzweißem Habit, ein paar Franziskaner in braunem, einige Ritter zu Pferde mit wappengeschmückten Wämsern, einige Bürger in fast bis zur Erde reichenden Röcken. Und über ein Dutzend

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