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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Hellebardiere in gelben Kleidern und mit matt schimmernden Helmen.
    »Soldaten des Bischofs«, erklärte Urban Horn leise und bewies damit wieder einmal, wie gut er Bescheid wusste. »Der große Ritter auf dem Rappen mit dem Schachmuster ist Heinrich von Reideburg, der Starost von Strehlen.«
    Die Soldaten des Bischofs führten drei Personen mit sich, zwei Männer und eine Frau. Die Frau trug ein langes, weißes Hemd, einer der Männer hatte eine spitze, grellbemalte Mütze auf dem Kopf.
    Dorothea Faber schnalzte mit den Zügeln und rief dem Wallach und der nur unwillig dem Wagen den Weg freigebenden Menge ein paar Worte zu. Da es jetzt bergab ging, verloren die Reisenden die Szenerie aus dem Blick; um etwas sehen zu können, hätten sie aufstehen müssen, aber dazu musste der Wagen erst einmal anhalten. Nach einiger Zeit konnte man jedoch nicht mehr weiterfahren, denn die Menschen standen immer dichter beisammen.
    Als er aufstand, erblickte Reynevan die Köpfe und Schulternjener drei, der beiden Männer und der Frau. Und die ihre Köpfe überragenden Pfähle, an denen sie festgebunden waren. Die Reisigstöße, die um die Pfähle herum aufgeschichtet waren, sah er nicht. Aber er wusste, dass sie da waren.
    Er hörte eine laute und grollende Stimme, aber nicht deutlich, sondern gedämpft durch das surrende Brummen der Menge. Nur schwer waren einige Wortfetzen zu verstehen.
    »Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung . . .
Errores Hussitarum . . . Fides haeretica . . .
Gotteslästerung und Heiligenschändung . . .
Crimen . . .
In der Untersuchung erwiesen . . .«
    »Es scheint so«, sagte Urban Horn, der in den Steigbügeln stand, »als vollziehe sich hier unmittelbar vor unseren Augen das Resümee unseres Disputs von unterwegs.«
    »Es sieht ganz so aus.« Reynevan schluckte. »He, Leute, wen richten sie hier?«
    »Häretiker«, erklärte ein Mann, der wie ein Bettler aussah und sich umdrehte. »Sie haben Häretiker gefangen. Sie sagen, es sind Hussen oder so ähnlich . . .«
    »Nicht Hussen, sondern Hussonen«, verbesserte ihn ein anderer mit polnischem Akzent, der genauso abgerissen aussah. »Sie werden sie wegen Heiligenschändung verbrennen. Weil sie den Gänsen die Kommunion gereicht haben.«
    »Ach, diese Dummköpfe!«, kommentierte von der anderen Wagenseite her ein Pilger, an dessen Mantel Muscheln aufgenäht waren. »Die wissen doch überhaupt nichts!«
    »Aber du weißt etwas?«
    »Ich weiß es . . . Gelobt sei Jesus Christus!« Der Pilger hatte die Tonsur von Pfarrer Granciszek erspäht. »Die Ketzer nennen sich Hussiten, das kommt von ihrem Propheten Hus und nicht von irgendwelchen Gänsen. Sie sagen, die Hussiten nämlich, es gibt kein Fegefeuer, und die Kommunion nehmen sie in beiderlei Gestalt, also
sub utraque specie.
Daher nennt man sie auch Utraquisten . . .«
    »Hör auf, uns hier zu belehren«, unterbrach ihn Urban Horn,»wir sind gelehrt genug. Die drei da, frage ich, warum werden sie verbrannt?«
    »Das weiß ich nicht, ich bin nicht von hier.«
    »Dieser da«, beeilte sich ein hiesiger Ziegelbrenner in einer mit Ton beschmierten Joppe zu antworten, »der mit der Schandkappe, das ist ein Böhme, ein hussitischer Bote, ein abtrünniger Priester. Verkleidet ist er von Tabor hierher gewandert, hat die Leute zur Verschwörung aufgerufen, dass sie die Kirchen abbrennen sollen. Seine Landsleute haben ihn erkannt, die, die nach dem Jahr neunzehn aus Prag davon sind. Und der zweite ist Anton Nelke, der Lehrer der Gemeindeschule, des böhmischen Ketzers Verbündeter. Er hat ihn beherbergt und mit ihm zusammen hussitische Schriften verteilt.«
    »Und die Frau?«
    »Elisabeth Ehrlich. Das ist eine ganz andere Geschichte. Nur so nebenbei. Sie hat zusammen mit ihrem Liebhaber ihren Ehemann vergiftet. Der Buhle ist entkommen, sonst stünde er heute auch hier auf dem Scheiterhaufen.«
    »Das ist hier alles ans Licht gekommen«, sagte ein dünner Kerl mit einer Filzkappe, die ihm glatt um den Schädel lag. »Denn das war ihr zweiter Mann, von der Ehrlichen, mein’ ich. Den ersten hat sie auch ganz schnell vergiftet, diese Hexe.«
    »Vielleicht hat sie ihn vergiftet, vielleicht auch nicht, das weiß man nicht genau«, mischte sich eine dicke Bürgerin in einem bestickten Kurzpelz in das Gespräch ein. »Sie sagen, der erste hat sich zu Tode gesoffen. Das war ein Schuster.«
    »Schuster hin, Schuster her, sie hat ihn vergiftet, das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche«, urteilte der Dürre. »Bei der Sache

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