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Narziss Und Goldmund

Narziss Und Goldmund

Titel: Narziss Und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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als Wanderer, als Liebenden, als Flüchtling vor dem mähenden Tod, als Tänzer bei den Pestorgien der Lebenshungrigen. Hingegeben hing er überm weißen Papier, strich das hochmütige feste Gesicht der Jungfer Lisbeth hin, so wie er sie früher gekannt hatte, die Fratze der alten Magd Margrit, das geliebte und gefürchtete Gesicht des Meisters Niklaus. Mehrmals auch deutete er mit dünnen, ahnenden Strichen eine gro-
    ße Frauengestalt an, die Erdenmutter, sitzend mit den Händen im Schoß, im Gesicht unter schwermütigen Augen, ein Hauch von Lächeln Unendlich wohl tat ihm dies Strömen, das Gefühl in der zeichnenden Hand, das Herr-werden über die Gesichte. Er zeichnete in wenigen Tagen alle die Bogen voll, die ihm Marie besorgt hatte. Vom letzten Bogen schnitt er ein Stuck ab und zeichnete darauf, mit sparsamen Strichen, das Gesicht Maries, mit den schönen Augen, mit dem entsagenden Mund Das schenkte er ihr.
    Durch das Zeichnen hatte er das Gefühl von Schwere, Stauung und Uberfülltsein in seiner Seele gelöst und er-leichtert. Solang er zeichnete, hatte er nicht gewußt, wo er sei, seine Welt hatte aus nichts bestanden als dem Tisch, dem weißen Papier und abends der Kerze. Jetzt erwachte er, erinnerte sich der jüngsten Erlebnisse, sah unerbittlich neue Wanderschaft vor sich und begann durch die Stadt zu schweifen mit einer wunderlich gespaltenen Empfindung halb von Wiedersehen, halb von Abschiednehmen.
    Auf einem dieser Gänge begegnete er einer Frau, deren Anblick allen seinen aus der Ordnung gekommenen Ge-fühlen eine neue Mitte gab. Es war eine Frau zu Pferde, ein großes hellblondes Weib mit neugierigen, etwas kühlen Blauaugen, mit festen, straffen Gliedern und einem blü-
    henden Gesicht voll Lust zu Genuß und Macht, voll Selbst-gefühl und witternder Sinnenneugierde. Etwas herrisch und hochmütig hielt sie sich auf ihrem braunen Pferde, 251
    ans Befehlen gewohnt, doch nicht verschlossen oder abwehrend, sondern unter den etwas kühlen Augen standen bewegliche Nüstern allen Düften der Welt offen, und der große lockere Mund schien des Nehmens und Gebens im höchsten Grade fähig. Im Augenblick, da Goldmund sie sah, wurde er völlig wach und voll Begierde, sich mit diesem stolzen Weib zu messen. Diese Frau zu erobern, schien ihm ein edles Ziel, und auf dem Weg zu ihr den Hals zu brechen, hätte ihm kein übler Tod geschienen. Alsbald empfand er, daß diese blonde Löwin seinesgleichen sei, an Sinnen und Seele reich, allen Stürmen zugänglich, ebenso wild wie zart, aus uralt ererbter Bluterfahrung der Leiden-schaften kundig.
    Sie ritt vorüber, er sah ihr nach, zwischen krausem Blondhaar und blausamtenem Kragen sah er ihren festen Nacken ragen, stark und stolz und doch von der zartesten Kinderhaut umspannt. Sie war, so wollte ihm scheinen, die schönste Frau, die er gesehen hatte. Diesen Nacken wollte er in seine Hand zu fassen bekommen und ihren Augen das blaukühle Geheimnis entreißen. Wer sie sei, war nicht schwer zu erfragen. Alsbald erfuhr er, sie wohne im Schloß und sei Agnes, die Geliebte des Statthalters, es setzte ihn nicht in Erstaunen, sie hätte die Kaiserin selbst sein können. An einem Brunnenbecken blieb er stehen und suchte sein Spiegelbild. Das Bild paßte brüderlich zum Bild der blonden Frau, nur war es gar sehr verwildert. Noch in derselben Stunde suchte er einen Barbier auf, den er kannte, und brachte ihn mit guten Worten dazu, daß er ihm Haar und Bart kurz schnitt und sauber strählte.
    Zwei Tage dauerte die Verfolgung. Agnes trat aus dem Schloß, und der fremde Blonde stand schon beim Tor und sah ihr bewundernd in die Augen. Agnes ritt ums Boll-werk, und aus den Erlen trat der Fremde. Agnes war beim Goldschmied, und beim Verlassen der Werkstatt begegne-252
    te sie dem Fremden. Sie blitzte ihn kurz aus den herri-schen Augen an, dabei spielte es bebend um ihre Nasenflü-
    gel. Am andern Morgen, da sie ihn beim ersten Ausritt wieder bereitstehen fand, lächelte sie ihm ihre Herausfor-derung zu. Auch den Grafen sah er, den Statthalter, es war ein stattlicher und kühner Mann, er war ernst zu nehmen, aber er hatte schon Grau im Haar und hatte Sorgen im Gesicht, Goldmund fühlte sich ihm überlegen.
    Diese beiden Tage machten ihn glücklich, er strahlte vor wiedergewonnener Jugend. Schön war es, sich dieser Frau zu zeigen und ihr den Kampf anzubieten. Schön war es, seine Freiheit an diese Schöne zu verlieren. Schön und tief aufreizend war das Gefühl, sein Leben auf diesen

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