Narziss Und Goldmund
Griff einige von den rings um ihn hängenden Kleidern und Mänteln zusammen und nahm sie über den Arm. Man sollte ihn für einen Dieb halten, vielleicht war dies ein Ausweg.
Der Graf hatte ihn sofort gesehen. Langsam kam er heran.
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»Wer ist man? Was tut man hier? Antwort, oder ich stoße zu.«
»Verzeihet«, flüsterte Goldmund, »ich bin ein armer Mann, und Ihr seid so reich! Ich gebe alles zurück, Herr, was ich genommen habe, seht!«
Und er legte die Mäntel an den Boden.
»So, also gestohlen hast du! Es war nicht klug von dir, für einen alten Mantel dein Leben zu wagen. Bist du ein Stadt-bürger?«
»Nein, Herr, ich bin heimatlos. Ich bin ein armer Mann, Ihr werdet Nachsicht haben –«
»Hör auf. Ich möchte wohl wissen, ob du am Ende so frech warst, die gnädige Frau belästigen zu wollen. Aber da du ohnehin gehangt wirst, brauchen wir das nicht zu un-tersuchen Der Diebstahl genügt.«
Er klopfte heftig gegen die geschlossene Tür und rief
»Seid ihr da? Aufmachen!«
Die Tür wurde von außen geöffnet, drei Knechte standen mit gezogenen Klingen bereit.
»Bindet ihn gut«, rief der Graf mit einer Stimme, die vor Hohn und Hochmut knarrte: »Es ist ein Landstreicher, der hier gestohlen hat. Setzt ihn fest, und morgen früh hängt den Schelm an den Galgen.«
Es wurden Goldmund, ohne daß er sich wehrte, die Hän-de zusammengeschnürt. So wurde er abgeführt, durch den langen Gang, die Treppen hinab über den inneren Hof, ein Diener trug ein Windlicht voraus. Vor einem runden eisenbeschlagenen Kellertor blieben sie stehen, es wurde verhandelt und gescholten, es fehlte der Schlüssel zum Tor, ein Knecht nahm das Windlicht, der Diener lief zurück, nach dem Schlüssel. So standen sie, die drei Bewaffneten und der Gebundene, und warteten vor dem Tor. Der mit dem Licht zündete dem Gefangenen neugierig ins Gesicht.
In diesem Augenblick kamen zwei von den Priestern vorü-
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ber, deren so viele im Schloß zu Gast waren, sie kamen von der Schloßkapelle her und blieben vor der Gruppe stehen, beide sahen sich die nächtliche Szene aufmerksam an die drei Knechte, den gebundenen Mann, wie sie dastanden und warteten.
Goldmund bemerkte weder die Priester, noch sah er seine Wächter an. Er konnte nichts sehen als das leise flackernde Licht, das dicht vor sein Gesicht gehalten wurde und ihm in die Augen blendete. Und hinter dem Licht in einer Dämmerung voll Grauen sah er noch etwas, etwas Gestaltloses, Großes, Gespenstisches: den Abgrund, das Ende, den Tod. Mit starren Augen stand er, nichts sehend und hörend. Einer der Priester flüsterte angelegentlich mit den Knechten. Als er hörte, daß der Mann sterben müsse und ein Dieb sei, fragte er, ob er einen Beichtvater gehabt habe. Nein, hieß es, er sei auf frischer Tat festgenommen.
»So werde ich«, sagte der Priester, »am Morgen vor der Frühmesse mit den heiligen Sakramenten zu ihm kommen und seine Beichte hören. Ihr stehet mir dafür, daß er nicht vorher abgeführt wird. Mit dem Herrn Grafen spreche ich noch heut. Der Mann mag ein Dieb sein, er hat doch das Recht jedes Christen auf den Beichtvater und die Sakramente.«
Die Knechte wagten keinen Widerspruch. Sie kannten den geistlichen Herrn, er gehörte zu den Herren von der Gesandtschaft, sie hatten ihn mehrmals an des Grafen Tisch speisen sehen. Und warum auch sollte man dem armen Vagabunden die Beichte nicht gönnen?
Die Herren gingen davon Goldmund stand und starrte.
Endlich kam der Diener mit dem Schlüssel und schloß auf.
Der Gefangene wurde in ein Kellergewölbe geführt, stolpernd taumelte er die paar Stufen hinab. Ein paar dreibei-nige Stühle ohne Lehne standen hier herum und ein Tisch, 267
es war der Vorraum eines Weinkellers. Sie rückten ihm ein Stühlchen an den Tisch und hießen ihn sitzen.
»Es kommt morgen in der Frühe ein Pfaff, da kannst du noch beichten«, sagte ihm einer von den Knechten. Dann gingen sie und verschlossen das schwere Tor mit Sorgfalt.
»Laß mir das Licht da, Kamerad«, bat Goldmund.
»Nein, Brüderchen, damit könntest du Unfug anrichten.
Es wird auch so gehen. Sei gescheit und schick dich drein Und wie lang brennt denn so ein Licht? In einer Stunde wär es doch aus. Gut Nacht.«
Nun war er im Finstern allein, saß auf dem Stühlchen und legte den Kopf auf den Tisch. Es war schlecht so zu sitzen, und die Einschnürungen an seinen Handgelenken taten weh, doch drangen diese Empfindungen erst spät in sein Bewußtsein. Vorerst saß er nur und
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