Narziss Und Goldmund
auf, Frauen lächelten hinter Gartenzäunen oder knieten im braunen Erdreich und steckten Pflanzen, Mädchen sangen auf abendlichen Dorfgassen.
In einer Mühle eine junge Magd gefiel ihm so sehr, daß er zwei Tage in der Gegend blieb und sie umstrich, sie lachte und schwatzte gerne mit ihm, ihm schien, er wäre am liebsten ein Müllerbursch und bliebe immer dort. Er saß bei den Fischern, er half den Fuhrleuten beim Füttern und Striegeln, bekam Brot und Fleisch dafür und durfte mitfahren. Nach langem Alleinsein diese gesellige Reise-weit, nach langem Grübeln die Heiterkeit zwischen gesprächigen und vergnügten Menschen, nach langem Dar-ben das tägliche Sattwerden an reichlicher Speise tat ihm wohl, gern ließ er sich von der frohen Welle tragen. Sie nahm ihn mit, und je mehr er sich der Bischofsstadt näherte, desto voller und heiterer wurde die Landstraße.
In einem Dorfe ging er, als es eben nachtete, unter schon belaubten Bäumen am Wasser lustwandeln. Still und mächtig strömte der Fluß, unter den Baumwurzeln
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rauschte und seufzte die Strömung, über den Hügel kam der Mond herauf, warf Lichter auf den Fluß und Schatten unter die Bäume. Da fand er ein Mädchen sitzen und weinen, sie hatte Streit mit ihrem Liebsten gehabt, nun war er fort und hatte sie alleingelassen. Goldmund setzte sich zu ihr und hörte ihre Klagen an, er streichelte ihre Hand, er-zählte ihr vom Wald und von den Rehen, tröstete sie ein wenig, brachte sie ein wenig zum Lachen, und sie ließ sich einen Kuß gefallen. Aber da kam ihr Schatz wieder gegangen, sie zu suchen, er hatte sich beruhigt und den Zank bereut. Als er Goldmund bei ihr sitzen fand, warf er sich alsbald über ihn und schlug mit beiden Fäusten auf ihn ein, Goldmund hatte Mühe, sich zu erwehren, schließlich wurde er doch mit ihm fertig, fluchend lief der Bursche ins Dorf, das Mädchen war längst fortgeflohen. Goldmund aber, dem Frieden nicht trauend, ließ sein Nachtlager im Stich und wanderte die halbe Nacht im Mondschein weiter, durch eine silberne schweigende Welt, sehr zufrieden, seiner starken Beine froh, bis der Tau ihm den weißen Staub von den Schuhen wusch und er, plötzlich müd geworden, sich unter den nächsten Baum legte und einschlief. Längst war es Tag, da weckte ihn ein Kitzeln im Gesicht, er scheuch-te schlaftrunken mit tappender Hand darüber, schlief wieder ein, wurde bald vom selben Kitzeln aufs neue geweckt, da stand eine Bauernmagd, die sah ihn an und kitzel-te ihn mit der Spitze einer Weidengerte. Er taumelte auf, lä-
chelnd nickten sie einander zu, und sie führte ihn in einen Schuppen, wo es besser zu schlafen sei. Sie schliefen eine Weile dort, beide beieinander, dann lief sie fort und kam wieder mit einem Eimerchen voll Milch, noch warm von der Kuh. Er schenkte der Magd ein blaues Haarband, das er kürzlich auf der Gasse gefunden und zu sich gesteckt hatte, und sie küßten sich noch einmal, ehe er weiterging. Sie hieß Franziska, es tat ihm leid, sie zu verlassen.
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Am Abend jenes Tages fand er in einem Kloster Obdach, wohnte am Morgen der Messe bei, wunderlich wallte es in seinem Herzen von tausend Erinnerungen, ergreifend heimatlich roch ihm die kühle Steinluft der Gewölbe, klang ihm das Klappern der Sandalen auf den Fliesengängen. Als die Messe vorüber und es still in der Klosterkirche geworden war, blieb Goldmund knien, sein Herz war wunderlich bewegt, er hatte nachts viel geträumt. Er empfand den Wunsch, sich irgendwie seiner Vergangenheit zu entledi-gen, irgendwie sein Leben zu ändern, er wußte nicht warum, vielleicht war es nur die Erinnerung an Mariabronn und an seine fromme Jugend, die ihn bewegte. Er fühlte sich getrieben, eine Beichte abzulegen und sich zu reinigen, viele kleine Sünden, viele kleine Laster waren zu bekennen, schwerer aber als alles lag der Tod Viktors auf ihm, der von seiner Hand gestorben war. Er fand einen Pater, dem legte er Beichte ab, über dies und jenes, besonders aber über die Messerstiche in des armen Viktors Hals und Rücken. O wie lange hatte er nicht gebeichtet! Zahl und Schwere seiner Sunden schien ihm beträchtlich, er wäre bereit gewesen, eine tüchtige Strafe dafür abzubüßen.
Aber der Beichtvater schien das Leben der Fahrenden zu kennen, er entsetzte sich nicht, ruhig hörte er zu, ernst und freundlich tadelte er und mahnte, ohne an eine Verdam-mung zu denken.
Erleichtert erhob sich Goldmund, betete nach des Paters Vorschrift am Altar und wollte schon die Kirche
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