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Narziss Und Goldmund

Narziss Und Goldmund

Titel: Narziss Und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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fleißigen Schreiner-gesellen eingestellt und geheiratet und regierte Haus und Werkstatt so vollkommen, daß der Heimgekehrte sich nach kurzem Aufenthalt dort als entbehrlich erkannte und von niemand zum Bleiben ermahnt wurde, als er bald wieder von Fortgehen und Reisen sprach. Er nahm es nicht schwer, ließ sich von der Mutter einige Spargroschen geben, schmückte sich wieder mit der Pilgertracht und trat eine neue Wallfahrt an, ohne Ziel, quer durchs Reich, ein halbgeistlicher Landfahrer. Kupferne Erinnerungs-münzen an bekannte Wallfahrtsorte und geweihte Rosen-kranze klirrten an ihm herab.
    So traf er auf Goldmund, wanderte einen Tag mit ihm, tauschte Landfahrererinnerungen mit ihm, verlor sich im nächsten Städtchen, traf da und dort wieder auf ihn und blieb schließlich ganz bei ihm, ein verträglicher und dienstwilliger Reisegefährte. Goldmund gefiel ihm sehr, er warb mit kleinen Dienstleistungen um ihn, bewunderte sein Wissen, seine Kühnheit, seinen Geist und liebte seine Gesundheit, Kraft und Aufrichtigkeit. Sie gewöhnten sich aneinander, denn auch Goldmund war verträglich. Nur eines vertrug er nicht: wenn er von seiner Traurigkeit oder Grübelei befallen war, dann schwieg er hartnäckig und sah am andern vorbei, als wäre er nicht vorhanden, und dann durfte man weder schwatzen noch fragen noch trösten und mußte ihn gewähren und schweigen lassen. Dies hatte Robert bald gelernt. Seit er gemerkt hatte, daß Goldmund eine Menge lateinischer Verse und Lieder auswendig 207
    wußte, seit er ihn vor dem Portal eines Domes die steinernen Gestalten hatte erklären hören, seit er ihn an eine leere Mauer, an der sie rasteten, mit Rötel in schnellen großen Strichen lebensgroße Figuren hatte hinzeichnen sehen, hielt er seinen Kameraden für einen Liebling Gottes und beinahe für einen Zauberer. Daß er auch ein Liebling der Frauen war und manche mit einem Blick und Lächeln sich zu eigen machte, sah Robert ebenfalls, es gefiel ihm weniger, aber bewundern mußte er es doch.
    Ihre Fahrt wurde einst auf unerwartete Weise unterbrochen. Eines Tages kamen sie in die Nähe eines Dorfes, da empfing sie ein Häufchen Bauern, mit Knütteln, Stangen und Dreschflegeln bewaffnet, und der Anführer schrie ihnen von weitem zu, sie sollten alsbald umkehren und sich auf Nimmerwiedersehen davonmachen, dem Teufel zu, sonst würden sie totgeschlagen. Während Goldmund
    stehenblieb und zu wissen begehrte, was denn los sei, traf ihn schon ein Steinwurf an die Brust. Robert, nach dem er sich umblickte, war davongerannt wie besessen. Drohend rückten die Bauern vor, und es blieb Goldmund nichts übrig, als dem Fliehenden langsamer zu folgen. Zitternd erwartete ihn Robert unter einem Kreuz mit einem Heiland daran, das mitten im Felde stand.
    »Heidenmäßig bist du gelaufen«, lachte Goldmund
    »Aber was haben denn diese Mistfinken in ihren Dickköpfen? Ist denn Krieg? Stellen bewaffnete Wachen vor ihr Nest und wollen niemand hereinlassen! Nimmt mich wunder, was dahintersteckt.«
    Sie wußten es beide nicht. Erst am folgenden Morgen machten sie in einem alleinstehenden Bauernhof gewisse Erfahrungen und begannen das Geheimnis zu erraten.
    Dieser Hof, aus Hütte, Stall und Scheune bestehend und von einer grünen Hofstatt mit hohem Gras und vielen Obstbäumen umgeben, lag merkwürdig still und verschla-208
    fen: keine Menschenstimme, kein Tritt, kein Kindergeschrei, kein Sensendengeln, nichts war zu hören, in der Hofstatt stand eine Kuh im Gras und brüllte, und man sah ihr an, daß es Zeit war, sie zu melken. Sie traten vors Haus, klopften an die Tür, bekamen keine Antwort, gingen zum Stall, der stand offen und leer, gingen zur Scheune, auf deren Strohdach das lichtgrüne Moos in der Sonne gleißte, fanden auch da keine Seele. Sie kehrten zum Hause zurück, verwundert und betreten über die Verödung dieser Heim-statt, sie schlugen nochmals mit Fäusten gegen die Tür, wieder kam keine Antwort. Goldmund versuchte zu öffnen und fand zu seinem Erstaunen die Türe unverschlossen, er drückte sie nach innen und trat in die finstere Stube.
    »Grüß Gott«, rief er laut, und »Niemand daheim?«, aber es blieb alles still. Robert war vor der Tür geblieben. Neugierig drang Goldmund vor. Es roch schlecht in der Hütte, es roch sonderbar und widerlich. Die Feuerstelle war voll Asche, er blies hinein, auf dem Grunde glommen noch Funken in verkohlten Scheiten. Da sah er in der Dämmerung im Hintergrund des Herdplatzes jemand sitzen, jemand

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