Narziss Und Goldmund
beste aller Gehilfen, die Niklaus je besoldet hatte, niemals zu machen vermocht, und er selbst wurde alt und wurde ärmer an Einfällen und Schöpfer-kraft, und zu einem gewöhnlichen handwerklichen Ge-werbe wollte er seine berühmte Werkstatt nicht herabsin-ken sehen. Es würde schwierig sein mit diesem Goldmund, aber es mußte gewagt werden.
So rechnete sorgenvoll der Meister. Er würde für Goldmund die hintere Werkstatt ausbauen und vergrößern lassen und ihm die Stube im Dachstock einräumen, ihn auch zu seiner Aufnahme in die Zunft mit neuer, schöner Kleidung beschenken. Vorsichtig holte er auch Lisbeths Meinung ein, die seit jenem Mittagessen auf etwas Der-199
gleichen wartete. Und siehe, Lisbeth war nicht dagegen.
Wenn der Bursche seßhaft gemacht wurde und Meister hieß, war er ihr schon recht. Auch hier gab es keine Hindernisse. Und wenn es dem Meister Niklaus und dem Handwerk noch immer nicht ganz gelungen war, diesen Zigeuner zu zähmen, Lisbeth würde es schon vollends fertigbringen.
So wurde alles eingefädelt und dem Vogel der Köder hübsch hinter die Schlinge gehängt. Und eines Tages wurde nach Goldmund geschickt, der sich nicht mehr hatte sehen lassen, und er wurde abermals zu Tische geladen, erschien wieder gebürstet und gekämmt, saß wieder in der schönen, etwas zu feierlichen Stube, stieß wieder mit dem Meister und des Meisters Tochter an, bis diese sich ent-fernte und Niklaus mit seinem großen Plan und Anerbieten herausrückte.
»Du hast mich verstanden«, fügte er seinen überra-schenden Eröffnungen hinzu, »und ich brauche dir nicht zu sagen, daß wohl niemals ein junger Mensch, ohne auch nur die vorgeschriebene Lehrzeit abgedient zu haben, so rasch zum Meister aufgerückt und ins warme Nest gesetzt worden ist. Dein Glück ist gemacht, Goldmund.«
Verwundert und beklommen sah Goldmund seinen
Meister an und schob den Becher von sich, der noch halb-voll vor ihm stand. Er hatte eigentlich erwartet, daß Niklaus ihn wegen der verbummelten Tage etwas schelten und ihm dann vorschlagen werde, als Gehilfe bei ihm zu bleiben. Nun stand es so. Es machte ihn traurig und verlegen, diesem Manne so gegenübersitzen zu müssen. Er fand nicht gleich eine Antwort.
Der Meister, schon mit etwas gespanntem und ent-
täuschtem Gesicht, als sein ehrenvolles Anerbieten nicht sofort mit Freude und Demut angenommen wurde, stand auf und sagte: »Nun, mein Vorschlag kommt dir unerwar-200
tet, vielleicht willst du erst darüber nachdenken. Es kränkt mich ja ein wenig, ich hatte gedacht, dir eine große Freude zu bereiten. Aber meinetwegen, nimm also Bedenkzeit.«
»Meister«, sagte Goldmund, um die Worte ringend,
»seid mir nicht böse! Ich danke Euch von ganzem Herzen für Euer Wohlwollen und danke Euch noch mehr für die Geduld, mit der Ihr mich als Schüler behandelt habt. Ich werde nie vergessen, in welcher Schuld ich bei Euch stehe.
Aber die Bedenkzeit brauche ich nicht, ich habe mich langst entschlossen.«
»Wozu entschlossen?«
»Es war bei mir beschlossen, noch ehe ich Euerer Einladung folgte und ehe ich eine Ahnung von Eueren ehrenvollen Anerbietungen hatte. Ich bleibe nicht langer hier, ich wandere.«
Bleich geworden, blickte ihn Niklaus mit finsteren Augen an.
»Meister«, flehte Goldmund, »glaubet mir, daß ich Euch nicht kränken will! Ich habe Euch gesagt, wozu ich entschlossen bin. Es ist nichts mehr daran zu andern. Ich muß fort, ich muß reisen, ich muß in die Freiheit. Laßt mich Euch noch einmal herzlich danken, und laßt uns freundlich voneinander Abschied nehmen.«
Er streckte ihm die Hand hin, die Tränen waren ihm nahe. Niklaus nahm seine Hand nicht, er war weiß im Gesicht geworden und begann jetzt rasch und rascher in der Stube auf und ab zu gehen, mit vor Wut dröhnenden Schritten. Nie hatte Goldmund ihn so gesehen.
Dann blieb der Meister plötzlich stehen, beherrschte sich mit furchtbarer Anstrengung und sagte, ohne Goldmund anzublicken, zwischen den Zähnen hervor »Gut, also geh! Aber geh sogleich! Daß ich dich nicht wiedersehen muß! Daß ich nicht etwas tue und sage, was mich einmal reuen könnte Geh!«
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Nochmals streckte Goldmund ihm seine Hand entge-
gen. Der Meister machte Miene, auf die dargereichte Hand zu speien. Da wendete sich Goldmund, der nun auch bleich geworden war, ging leise aus der Stube, setzte draußen seine Mütze auf, schlich die Treppe hinab und ließ die Hand über ihre geschnitzten Pfostenköpfe laufen, trat unten in die kleine
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