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Narziss Und Goldmund

Narziss Und Goldmund

Titel: Narziss Und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Erde über nackte Leichen schütten. Es war dunkel und wild in der Welt geworden, heulend sang der Tod sein Lied, Goldmund hörte es mit offenen Ohren, mit brennender Leidenschaft.
    Sein Ziel war die Stadt des Meisters Niklaus, dorthin zog ihn die Stimme in seinem Herzen. Lang war der Weg, und er war voll Tod, voll Welke und Sterben. Traurig zog er hin, 233
    berauscht vom Todeslied, hingegeben an das laut schreiende Leid der Welt, traurig und dennoch glühend, mit weit offenen Sinnen.
    In einem Kloster sah er ein neugemaltes Wandbild, das mußte er lange betrachten. Es war da der Totentanz an eine Mauer gemalt, da tanzte der bleiche knöcherne Tod die Menschen aus dem Leben, den König, den Bischof, den Abt, den Grafen, den Ritter, den Arzt, den Bauer, den Landsknecht, alle nahm er mit, und beinerne Musikanten spielten auf hohlen Knochen dazu auf. Tief sogen Goldmunds neugierige Augen das Bild in sich ein. Da hatte ein unbekannter Kollege die Lehre aus dem gezogen, was er vom Schwarzen Tod gesehen hatte, und schrie die bittere Predigt vom Sterbenmüssen den Menschen gell in die Ohren. Es war gut, das Bild, es war eine gute Predigt, nicht schlecht hatte dieser fremde Kollege die Sache gesehen und hingestrichen, es klang beinern und schaurig aus seinem wilden Bilde. Aber doch war es nicht das, was er selbst, Goldmund, gesehen und erlebt hatte. Es war das Sterbenmüssen, das hier gemalt war, das strenge und unerbittliche. Goldmund aber hatte sich ein anderes Bild ge-wünscht, ganz anders klang in ihm das wilde Lied des Todes, nicht beinern und streng, sondern eher süß und verführend, heimwärtslockend, mütterlich. Da, wo der Tod seine Hand ins Leben streckte, klang es nicht nur so grell und kriegerisch, es klang auch tief und liebevoll, herbstlich und satt, und in der Todesnähe glühte das Lebenslämpchen heller und inniger. Mochte der Tod für andere ein Krieger, ein Richter oder Henker, ein strenger Vater sein – für ihn war der Tod auch eine Mutter und Geliebte, sein Ruf ein Liebeslocken, seine Berührung ein Liebes-schauer. Als Goldmund den gemalten Totentanz betrachtet hatte und weiterging, zog es ihn mit erneuter Macht zum Meister und zum Schaffen. Aber überall gab es Aufenthal-234
    te, neue Bilder und Erlebnisse, mit bebenden Nüstern atmete er die Todesluft, überall verlangte Mitleid oder Neugierde eine Stunde, einen Tag von ihm. Drei Tage lang hatte er einen kleinen greinenden Bauernknaben bei sich, trug ihn stundenlang auf seinem Rücken, einen halb-verhungerten Wicht von fünf oder sechs Jahren, der ihm viel Mühe machte und den er nur schwer wieder loswerden konnte. Endlich nahm ihm eine Köhlerfrau den Buben ab, ihr Mann war gestorben, sie wollte wieder etwas Lebendiges um sich haben. Tagelang begleitete ihn ein herrenloser Hund, fraß ihm aus der Hand, wärmte ihn beim Schlafen, eines Morgens aber hatte er sich wieder verloren. Es tat ihm leid, er hatte sich daran gewöhnt, mit dem Hunde zu sprechen, halbe Stunden lang richtete er grüblerische Reden an das Tier, über die Schlechtigkeit der Menschen, über die Existenz Gottes, über die Kunst, über die Brüste und Hüften einer jungen Ritterstochter namens Julie, die er einst in seiner Jugend gekannt hatte. Denn natürlich war Goldmund auf seiner Todeswanderung ein klein wenig verrückt geworden, alle Menschen im Pestgebiet waren ein wenig verrückt, und viele waren es ganz und gar. Ein klein wenig verrückt war vielleicht auch die junge Jüdin Rebekka, das schöne schwarze Mädchen mit den brennenden Augen, mit dem er sich zwei Tage versäumte.
    Er fand sie vor einer kleinen Stadt im Felde, bei einem schwarz verkohlten Trümmerhaufen hockte sie und heul-te, schlug sich ins Gesicht und riß an ihren schwarzen Haaren. Die Haare erbarmten ihn, sie waren so schön, und er fing ihre wütenden Hände und hielt sie fest und redete dem Mädchen zu und nahm dabei wahr, daß auch ihr Gesicht und Wuchs von großer Schönheit war. Sie klagte um ihren Vater, der war samt vierzehn anderen Juden auf Befehl der Obrigkeit zu Asche verbrannt worden, sie aber hatte fliehen können, war nun aber verzweifelt zurückge-235
    kehrt und klagte sich an, daß sie sich nicht habe mit-verbrennen lassen. Geduldig hielt er ihre zuckenden Hän-de fest und sprach sanft auf sie ein, brummte mitleidig und beschützend, bot ihr Hilfe an. Sie verlangte, daß er ihr helfe, ihren Vater zu begraben, und sie sammelten aus der noch heißen Asche alle Knochen heraus, trugen sie

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