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Narziss Und Goldmund

Narziss Und Goldmund

Titel: Narziss Und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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felde-inwärts ins Verborgene und bedeckten sie mit Erde. Es war darüber Abend geworden, und Goldmund suchte einen Schlafplatz, in einem Eichenwäldchen richtete er dem Mädchen ein Lager, versprach ihr, zu wachen, und hörte zu, wie sie im Liegen weiterweinte und schluckte und endlich einschlief. Dann schlief auch er ein wenig, und am Morgen begann er seine Werbung. Er sagte ihr, daß sie so allein nicht bleiben könne, man würde sie als Judin erkennen und totschlagen, oder wüste Landfahrer würden sie mißbrauchen, und im Wald seien Wölfe und Zigeuner. Er aber, er nehme sie mit sich und schütze sie gegen Wolf und Mensch, denn sie tue ihm leid, und er sei ihr sehr gut, denn er habe Augen im Kopf und wisse, was Schönheit sei, und nie werde er dulden, daß diese süßen klugen Augenlider und diese holden Schultern von Tieren gefressen würden oder auf den Scheiterhaufen kamen. Finster hörte sie ihn an, sprang auf und lief davon. Er mußte sie jagen und fangen, eh er fortfahren konnte.
    »Rebekka«, sagte er, »du siehst doch, daß ich es nicht schlimm mit dir meine. Du bist betrübt, du denkst an deinen Vater, du willst jetzt nichts von Liebe wissen. Aber morgen oder übermorgen oder später werde ich dich wieder fragen, und bis dahin beschütze ich dich und bringe dir zu essen und rühre dich nicht an. Sei du traurig, solange es nötig ist. Du sollst bei mir traurig sein können oder fröhlich, du sollst immer nur das tun, was dir Freude macht.«
    Aber alles war in den Wind geredet. Sie wolle nichts tun, sagte sie verbissen und wütend, was Freude mache, sie 236
    wolle tun, was Schmerzen bringe, nie mehr werde sie an etwas wie Freude denken, und je eher der Wolf sie fräße, desto besser sei es für sie. Er solle nun gehen, es helfe nichts, es sei schon zuviel geredet.
    »Du«, sagte er, »siehst du denn nicht, daß überall der Tod ist, daß in allen Hausern und Städten gestorben wird und alles voll von Jammer ist. Auch die Wut der dummen Menschen, die deinen Vater verbrannt haben, ist nichts als Not und Jammer, sie kommt nur aus allzu großem Leiden.
    Schau, bald holt auch uns der Tod, und wir verfaulen im Feld, und mit unseren Knochen würfelt der Maulwurf. Laß uns vorher noch leben und lieb miteinander sein. Ach du, es wäre so schade um deinen weißen Hals und um deinen kleinen Fuß! Liebes schönes Mädchen, komm mit mir, ich rühre dich nicht an, ich will dich nur sehen und für dich sorgen.«
    Er flehte noch lange und fühlte plötzlich selbst, wie nutzlos es sei, mit Worten und Gründen zu werben. Er schwieg und sah sie traurig an. Ihr stolzes königliches Gesicht war starr vor Abweisung.
    »So seid ihr«, sagte sie endlich mit einer Stimme voll Haß und Verachtung, »so seid ihr Christen! Erst hilfst du einer Tochter ihren Vater begraben, den deine Leute gemordet haben und dessen letzter Fingernagel mehr wert ist als du, und kaum ist es getan, so soll das Mädchen dir gehören und mit dir buhlen gehen. So seid ihr! Zuerst dachte ich, vielleicht seiest du ein guter Mensch. Aber wie solltest du gut sein! Ach, ihr seid Säue.«
    Während sie sprach, sah Goldmund in ihren Augen, hinter dem Haß, etwas glühen, was ihn rührte und beschämte und ihm tief zu Herzen ging. Er sah in ihren Augen den Tod, aber nicht das Sterbenmüssen, sondern das Sterbenwollen, das Sterbendürfen, die stille Gefolgschaft und Hingabe an den Ruf der Erdenmutter.

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    »Rebekka«, sagte er leise, »du hast vielleicht recht. Ich bin kein guter Mensch, obwohl ich es mit dir gut gemeint habe Verzeih mir Ich habe dich erst jetzt verstanden.«
    Mit gezogener Mütze grüßte er sie tief wie eine Fürstin und ging davon, schweren Herzens, er mußte sie untergehen lassen. Lange blieb er betrübt und mochte mit niemand sprechen. So wenig sie einander glichen, so erinnerte dies stolze arme Judenkind ihn doch auf irgendeine Art an Lydia, die Tochter des Ritters. Es brachte Leiden, solche Frauen zu lieben. Aber eine Weile schien es ihm so, als habe er niemals eine andere geliebt als diese beiden, die arme ängstliche Lydia und die scheue bittere Jüdin.
    Noch manchen Tag dachte er an das schwarze glühende Mädchen und träumte manche Nacht von der schlanken brennenden Schönheit ihres Leibes, die zu Glück und Blü-
    te bestimmt schien und doch schon dem Sterben ergeben war. O daß diese Lippen und Brüste den »Säuen« zur Beute werden und im Feld verwesen sollten! Gab es denn keine Macht, keinen Zauber, diese kostbaren Bluten zu

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