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Narziss und Goldmund

Titel: Narziss und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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eine Mahnung in ihm auf: einmal, als Knabe, hatte er vor diesem schonen strengen Antlitz, vor diesen dunklen allwissenden Augen geweint und sich gehen lassen. Er durfte das nicht wieder tun. Da erschien nun wie ein Gespenst im wunderlichsten Augenblick seines Lebens dieser Narziß wieder, wahrscheinlich, um ihm das Leben zu retten – und nun sollte er wieder vor ihm in Schluchzen ausbrechen oder in Ohnmacht fallen? Nein, nein, nein. Er hielt sich. Er bändigte sein Herz, er zwang seinen Magen, er jagte den Schwindel aus seinem Kopf. Er durfte jetzt keine Schwäche zeigen.
    Mit künstlich beherrschter Stimme gelang es ihm zu sagen. »Du mußt mir erlauben, dich noch immer Narziß zu nennen.«
    »Nenne mich so, Lieber. Und willst du mir nicht die Hand geben?«
    Wieder zwang sich Goldmund. Mit einem knabentrotzigen und leicht spöttischen Ton, ganz wie manchmal in den Schülerzeiten, brachte er seine Antwort heraus.
    »Entschuldige, Narziß«, sagt e er kühl und ein wenig bla siert »Ich sehe, du bist Abt geworden. Ich aber bin noch immer ein Landstreicher. Und außerdem wird unsere Unterhaltung, so erwünscht sie mir ist, leider nicht lange dauern dürfen. Denn schau, Narziß, ich bin zum Galgen verurteilt, und in einer Stunde, oder früher, werde ich wohl gehängt sein. Ich sage es nur, um dir die Situation klarzumachen.«
    Narziß verzog keine Miene. Das bißchen Knaben— und Renommistentum in des Freundes Haltung machte ihm großen Spaß und rührte ihn zugleich. Den Stolz aber, der dahinterstand und der es Goldmund verbot, ihm weinend an die Brust zu sinken, den verstand und billigte er zuinnerst. Wahrlich, auch er hatte sich das Wiedersehen anders vorgestellt, aber er war mit dieser kleinen Komödie innig einverstanden. Mit nichts hätte Goldmund sich rascher wieder in sein Herz schmeicheln können.
    »Nun ja«, sagte er und spielte ebenfalls den Gleichmütigen »Übrigens kann ich dich wegen des Galgens beruhigen Du bist begnadigt. Ich habe Auftrag, dir das mitzuteilen und dich mitzunehmen. Denn hier in der Stadt darfst du nicht bleiben. Wir werden also Zeit genug haben, einander dies und jenes zu erzählen. Aber wie ist das nun: willst du mir jetzt die Hand geben?«
    Sie gaben sich die Hände und hielten sie lange fest und drückten sie und fühlten sich tief bewegt, in ihren Worten aber dauerte die Sprödigkeit und Komödie noch eine ganze Weile an.
    »Gut, Narziß, so werden wir also dieses wenig ehrbare Obdach verlassen, und ich werde mich deinem Gefolge anschließen. Reisest du nach Mariabronn zurück? Ja? Sehr schön. Und wie? Zu Pferde? Ausgezeichnet. Es wird sich also darum handeln, auch für mich ein Pferd zu bekommen.«
    »Wir werden es bekommen, amice, und werden schon in zwei Stunden reisen. Oh, aber wie sehen deine Hände aus!
    Um Gottes willen, alles zerschunden und verschwollen und voller Blut! O Gol dmund, wie ist man mit dir umge gangen!«
    »Laß gut sein, Narziß Ich habe mir selbst die Hände so zugerichtet. Ich war ja gebunden und mußte mich befreien. Ich sage dir, es ging nicht leicht. Übrigens war es recht mutig von dir, daß du so ohne Geleit zu mir hereingekom men bist.«
    »Warum mutig? Es war ja keine Gefahr.«
    »Oh, es war nur die kleine Gefahr, von mir erschlagen zu werden. Nämlich so hatte ich mir die Sache ausgedacht. Es war mir gesagt worden, daß ein Priester komme. Den hätte ich dann umgebracht und wäre in seinen Kleidern geflohen. Ein guter Plan.«
    »Du wolltest also nicht sterben? Du wolltest dich dagegen wehren?«
    »Gewiß wollte ich das. Daß gerade du der Priester sein würdest, nun, das konnte ich ja freilich nicht ahnen.«
    »Immerhin«, sagte Narziß zögernd, »es war eigentlich ein recht häßlicher Plan. Hattest du wohl wirklich einen Priester, der als Beichtvater zu dir kam, totschlagen können?«
    »Dich nicht, Narziß, natürlich nicht, und vielleicht auch keinen von deinen Patres, wenn er die Mariabronner Kutte trug. Aber einen beliebigen anderen Priester, o ja, verlaß dich drauf.«
    Plötzlich wurde seine Stimme traurig und dunkel.
    »Es wäre nicht der erste Mensch gewesen, den ich umgebracht hätte.«
    Sie schwiegen. Es war beiden peinlich zumute.
    »Also über diese Sachen«, sagte Narziß mit kühler Stimme, »sprechen wir ja später. Du kannst mir einmal beichten, wenn du magst. Oder du kannst mir sonst von deinem Leben erzählen. Auch ich hab e dir dies und das zu erzäh len Ich freue mich darauf – Wollen wir gehen?«
    »Noch einen Augenblick,

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