Narziss und Goldmund
Narziß! Etwas ist mir eingefallen, nämlich, daß ich dich doch schon einmal Johannes genannt habe.«
»Ich verstehe dich nicht.«
»Nein, natürlich nicht. Du weißt ja noch nichts. Es ist schon vor manchen Jahren gewesen, da habe ich dir einmal den Namen Johannes gegeben, und er wird dir für immer bleiben. Ich bin nämlich früher ein Bildhauer und Figurenschnitzer gewesen, und ich denke es wieder zu werden. Und die beste Figur, die ich damals gemacht habe, ein Jüngling aus Holz, in natürlicher Größe, die ist dein Bildnis, aber sie heißt nicht Narziß, sondern Johannes. Es ist ein Jünger Johannes unter dem Kreuz.«
Er stand auf und ging gegen die Tür.
»Du hast also noch an mich gedacht?« fragte Narziß leise.
Ebenso leise gab Goldmund Antwort »O ja, Narziß, ich habe an dich gedacht Immer, immer.«
Heftig stieß er das schwere Tor auf, der fahle Morgen blickte herein. Sie sprachen nichts mehr. Narziß nahm ihn mit sich in sein Gastzimmer. Ein junger Mönch, sein Begleiter, war dort damit beschäftigt, das Reisegepäck fertigzumachen. Goldmund bekam zu essen, seine Hände wurden gewaschen und etwas verbunden. Bald schon wurden die Pferde vorgeführt.
Als sie aufstiegen, sagte Goldmund: »Ich habe noch eine Bitte: Laß uns den Weg über den Fischmarkt nehmen, ich habe dort noch etwas zu besorgen.«
Sie ritten ab, und Goldmund blickte zu allen Fenstern des Schlosses hinan, ob vielleicht Agnes in einem zu sehen sei. Er bekam sie nicht mehr zu sehen. Sie ritten über den Fischmarkt, Marie war sehr in Sorge um ihn gewesen. Er nahm von ihr und ihren Eltern Abschied, dankte ihnen tausendmal, versprach, einm al wiederzukommen, und ritt weg. Unter der Haustür blieb Marie stehen, bis die Reiter verschwunden waren. Langsam hinkte sie in Haus zurück.
Sie ritten zu vieren: Narziß, Goldmund, der junge Mönch und ein bewaffneter Reitknecht.
»Kannst du dich noch an mein Rößchen Bleß erinnern«, fragte Goldmund, »das in eurem Klosterstall stand?«
»Gewiß. Das findest du nicht mehr und hast es wohl auch nicht erwartet. Es ist wohl sieben oder acht Jahre her, seit wir es abtun mußten.«
»Daß du dich dessen erinnerst!«
»O ja, ich erinnere mich.«
Goldmund war nicht traurig über Bleßleins Tod. Er war froh darüber, daß Narziß so gut um Bleß Bescheid wußte, er, der sich nie um Tiere gekümmert und sicher niemals ein anderes Klosterpferd beim Namen gekannt hatte. Sehr froh war er darüber.
»Du wirst mich auslachen«, fing er wieder an, »daß das erste Wesen in eurem Kloster, nach dem ich fragte, das arme Pferdchen war. Es war nicht hübsch von mir. Eigentlich hatte ich nach ganz anderem fragen wollen, vor allem nach unserem Abt Daniel. Aber ich konnte mir ja denken, daß er gestorben ist, du bist ja sein Nachfolger. Und von lauter Todesfällen zu sprechen, das wollte ich fürs erste vermeiden. Ich bin auf den Tod zur Zeit nicht gut zu sprechen, wegen dieser vergangenen Nacht, und auch wegen der Pest, von der ich allzuviel gesehen habe. Aber nun sind wir schon dabei, und einmal muß es ja doch sein. Sage mir, wann und wie Abt Daniel gestorben ist, ich habe ihn sehr verehrt. Und sage mir auch, ob die Patres Anselm und Martin noch am Leben sind. Ich bin auf alles Schlimme gefaßt. Aber da wenigstens dich die Pest verschont hat, bin ich zufrieden. Zwar habe ich nie gedacht, du könntest gestorben sein, ich habe fest an unser Wiedersehen geglaubt.
Aber der Glaube kann täuschen , das habe ich leider erfah ren. Auch meinen Meister Niklaus, den Bildschnitzer, konnte ich mir nicht tot vorstellen, ich zählte bestimmt darauf, ihn wiederzufinden und aufs neue bei ihm zu arbeiten Und doch war er tot, als ich kam.«
»Es ist rasch berichtet«, sagte Narziß »Abt Daniel ist schon vor acht Jahren gestorben, ohne Krankheit und Schmerzen. Ich bin nicht sein Nachfolger, ich bin erst seit einem Jahr Abt. Sein Nachfolger wurde Pater Martin, einst unser Schulvorsteher, er starb im vergangenen Jahr, nicht ganz siebzig Jahre alt. Und Pater Anselm ist auch nicht mehr da. Er hatte dich gern, er sprach noch oft von dir. In seiner letzten Zeit konnte er gar nicht mehr gehen, und das Liegen war ihm eine große Qual, er ist an der Wassersucht gestorben. Ja, und die Pest war auch bei uns, es sind viele gestorben. Sprechen wir nicht davon! Hast du noch mehr zu fragen?«
»Gewiß, sehr viel. Vor allem wie kommst du hierher in die Bischofsstadt und zum Statthalter?«
»Das ist eine lange Geschichte, und sie wäre
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