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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Dalinger
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befreundet ist, ohne dass etwas passiert?
    Da wäre vielleicht eine Brieffreundschaft zu empfehlen. Oder eine dieser netten, unverbindlichen Internetbekanntschaften. Jedenfalls kommt es mir unmöglich vor, sich an christliche Normen zu halten, wenn man sich fast täglich sieht und zusammen ist und die Hormone einem ganz klar signalisieren, was sie von einem verlangen.
    Ist doch so.
    Wieder habe ich das Gefühl, dass ich mich auf etwas eingelassen habe, von dem ich keine Ahnung hatte. Auf einen Jungen, der unbedingt das Richtige tun will. Dafür liebe ich ihn. Und dafür hasse ich ihn. Wenn ich ihn so ansehe, wie er sich über einen Haufen Zettel beugt und konzentriert Abfall und Schulsachen auseinandersortiert, überwiegt die Liebe. Ich empfinde eine so große Zärtlichkeit, dass ich mich auf ihn stürze und mein Gesicht an seinen Hals presse. Obwohl ich weiß, dass er gleich wieder irgendetwas von sich geben wird, was mich auf die Palme bringt. Leute, ich warne euch, eine Freundschaft mit Daniel Hartmann ist wie eine Achterbahnfahrt.
    »Was ist das?«, fragt er. Seine Stimme klingt merkwürdig.
    Ich spähe über seine Schulter, ohne ihn loszulassen.
    Oh, shit. Er hat ein Liebesgedicht gefunden, das mit »Tom« überschrieben ist. Das ist eindeutig ein Grund, für mehr Ordnung zu sorgen. Vorher, bevor ich jemanden in mein Zimmer lasse. Und vor allem, alleine aufzuräumen.
    »Die sind alt«, sage ich. »Ist schon lange her, dass ich die geschrieben hab.«
    »Warum bewahrst du sie dann auf?«
    Immer mehr Zettel tauchen auf. Es scheinen Hunderte zu sein. Möglich wär’s. Und keins der Gedichte ist datiert. Sie könnten genauso gut von gestern sein.
    »Ich kann sie schlecht wegschmeißen, wenn ich nicht mal weiß, wo sie sind«, sage ich möglichst leichthin.
    »Mensch, Miriam ...«, flüstert er. »Ich weiß nicht ...«
    »Aber ich weiß«, sage ich.
    Er ist so verunsichert, dass ich wirklich Angst kriege. Gleich wird er aufstehen, aus dem Zimmer stürmen und nie mehr wiederkommen. Deshalb halte ich ihn fest, obwohl er sich unbehaglich fühlt. Ich bewege mich um ihn herum, ich halte mich an seinem Hals fest, grabe meine Finger in das Haar an seinem Nacken, und tue das Einzige, womit ich ihm beweisen kann, dass ich ihn liebe und niemand sonst.
    Ich küsse ihn.
    Und er lässt sich küssen. Endlich. Wenn er jetzt nicht merkt, wem mein Herz gehört, ist ihm nicht mehr zu helfen. Dann weiß ich nicht, was wir hier noch zusammen tun.
    »Reicht das?«, flüstere ich schließlich atemlos.
    Er lächelt wieder. Glück schießt durch meine Adern, als ich in dieses Lächeln blicke. »Gibt es keine neuen Gedichte, für mich?«, fragt er und grinst erwartungsvoll. Die Gefahr ist gebannt. Unsere Liebe ist stärker als kurze Anfälle von Eifersucht. Wow, fühlt sich das gut an.
    »Nein«, sage ich. »Gedichte schreibe ich nur, wenn ich unglücklich bin.«

Meine Sonne
,
    hast du es schon gehört? Sarah ist aus dem Koma erwacht. Einfach so, die Ärzte können es sich nicht erklären. Preis den Herrn!
    Ist das nicht der beste Beweis dafür, dass wir Gottes Willen tun? Sobald alle auf dem rechten Weg sind und in der richtigen Spur gehen, kann der Heilige Geist wirken und unglaubliche Dinge geschehen. Wir sollten daher den Geist nicht betrüben, indem wir unsere eigenen Wege beschreiten. Wenn wir uns alle, ausnahmslos, an Gottes Anweisungen halten, wird er uns auch segnen und Wunder tun, darauf können wir uns verlassen!
    Ich bin so froh, meine Liebe, dass wir gerade jetzt dieses Zeichen erleben durften. Denn das ist es: ein Zeichen. Wir alle können aus dem Koma erwachen, aus der totenähnlichen Starre, wenn wir auf Gottes Wegen wandeln. Könnte es etwas Schöneres geben?
    Mit übergroßer Freude im Herzen
,
    dein Salomo

10.
    »Nein«, sage ich. »Nein, nein, und nochmals nein.«
    »Ich glaube nicht, dass du das zu bestimmen hast«, sagt Finn. »Spiel dich nicht so auf. Dieser Abend ist für uns alle.«
    »Wenn ich diese Gruppe leite«, setze ich an, »kann ich auch festlegen, wer ...«
    »Musst du ja nicht«, unterbricht er mich. »Ich meine, leiten. Fände ich sowieso komisch, wenn du mir mit deinen fünfzehn Jahren Anweisungen erteilst.«
    »Ich bin fast siebzehn«, fauche ich ihn an. »Und das ist meine Gruppe. Basti spielt diese Rolle, Basti und kein anderer!«
    Nur dass Bastian nicht hier ist. Er kommt nicht mehr. Auch seine Jungs lassen unsere heiligen Hallen in Frieden.
    Irgendwie vermisse ich sie alle. Alf, der mir zulächelt.

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