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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Dalinger
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Die beiden Nicks. Jackson, diesen Spinner. Sogar Philipp, der nie unbewaffnet aus dem Haus geht. Und vor allem natürlich Bastian. Nie im Leben lasse ich mir von Finn das Heft aus der Hand nehmen. Von diesem blöden Wichtigtuer!
    »Komm mal runter«, sagt Tine. »Finn hat recht, du nimmst dich viel zu wichtig. Warum bist ausgerechnet du die beste Schauspielerin in unserer Runde? Worauf begründet sich das? Darauf, dass du ab und zu in der Stadt Leute reinlegst?«
    Sie und Finn wechseln Blicke. Er lächelt ihr zu.
    Ich merke durchaus, wenn ich nicht erwünscht bin, aber das kann ich nicht auf mir sitzen lassen.
    »Ich hab nie behauptet, dass ich die Beste hier bin«, sage ich. »Falls es dir schon aufgefallen ist, ich hab mir eine der kleineren Rollen gegeben. Ich mache das hier nur, weil Michael mich darum gebeten hat, und jetzt höre ich nicht einfach so auf, nur weil du dich hier reindrängst und alles durcheinanderbringst!«
    Finn starrt mich an. »Wer bringt hier alles durcheinander?«, fragt er leise. »Ich? Wen nennt man allgemein Messie, wie ich höre? Weißt du überhaupt, was das bedeutet? Nicht der Fußballer, nehme ich an. Du liebst das Chaos? Das gibt mir echt zu denken.« Er spricht zu mir, als wäre ich sechs und er mein Oberlehrer, der mir verbietet, in der Pause nach draußen zu gehen, weil ich unartig war. »Weißt du nicht, wen man in der Bibel den großen Durcheinanderbringer nennt?« Er macht eine dramatische Pause. »Gott ist in der Ordnung«, sagt er. »Das Chaos ist von der anderen Seite.«
    Meint er das ernst oder klingt das nur so? Finn kann doch nicht wirklich glauben, dass ich mit dem Teufel im Bunde bin, nur weil mein Spitzname »Messie« lautet?
    »Das ist das Blödeste, was ich je gehört habe«, rufe ich. Ich bin auf hundertachtzig. »Muss ich mir das bieten lassen?«
    Sonja schweigt, völlig verschüchtert. Sie ist meine Freundin, aber er ist ihr Cousin. Damit steckt sie in der Zwickmühle. Wenn wir Pech haben, verschwindet sie jetzt und kommt nie wieder. Wenn ich Pech habe, werde ich demnächst gesteinigt, nur weil ich mein Zimmer zu selten aufräume. (Ha, aber immerhin hat Daniel sich küssen lassen, um von seiner Eifersucht geheilt zu werden! Also hat das Chaos doch ab und zu sein Gutes.)
    Ich bin kurz davor, davonzurauschen, aber Sonjas verwirrter Blick hält mich im letzten Moment davon ab. Ich setze mich wieder hin. Atme tief durch. Schicke ein Stoßgebet zum Himmel. Hilf mir, Jesus! Vergewissere mich kurz, dass ich auf der richtigen Seite bin, denn diese Anschuldigung fand ich doch irgendwie gruselig. Du bist bei mir, ja, Gott? Auch wenn ich unordentlich bin?
    Dann sage ich: »Na gut. Übernimm du das Kommando. Ich bin gespannt.«
    Zu meinem eigenen Erstaunen klingt meine Stimme absolut obercool und lässig. Als wenn mir diese Auseinandersetzung nicht das Geringste ausmachen würde.
    Ich lächele Sonja ermutigend zu. Denn ich weiß, wie viel ihr dieses Stück, das sie selbst geschrieben hat, bedeutet. Ich weiß, dass Finn und Tine es ohne mich nicht hinbekommen werden. Ganz ohne eingebildet zu sein. Ist einfach so.
    Das kann ich ihr nicht antun. Das will ich ihr nicht antun. Plötzlich wird mir bewusst, dass ich Sonja gern habe und sie als fiesen Soldaten sehen möchte. Dass wir zusammen Spaß haben könnten.
    »Lasst uns zuerst ein paar Bibelverse lesen, bevor wir anfangen«, sagt Finn und klingt dabei wie ein siebzigjähriger Pastor.
    Anscheinend habe ich ihn unterschätzt. Er kann doch schauspielern, und wie.
    Nachdem wir eine Weile geübt haben, wobei Finn die Rollen wieder umverteilt hat und nun den Hohenpriester mimt – ich durfte meine Rolle als Böse allerdings behalten –, schließt er mit einem Gebet ab und entlässt uns gnädig.
    Vielleicht bin ich wirklich eine miese Gruppenleiterin. Ich hab weder am Anfang noch am Ende gebetet und auch keine Verse vorgelesen. Ich dachte, es reicht, wenn wir das Stück einüben. Ich habe es mit allen meinen Bemühungen auch nicht geschafft, dass Tines Augen so glänzen. Sie strahlt, sie blüht auf, sie füllt ihre neue Rolle als reuiger Soldat mit Leidenschaft aus.
    Deprimiert schleiche ich hinaus. Die Musikgruppe übt noch. Ich höre ihnen eine Weile zu und beobachte Daniel beim Gitarrespielen. Er bemerkt mich nicht. Ganz in sich versunken schrappt er über die Saiten. Er ist jemand, der ganz in dem aufgehen kann, was er tut. Auch dafür liebe ich ihn. Er versinkt in seinen Gefühlen und merkt es nicht einmal.
    Ich will ihn nicht

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