Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Dalinger
Vom Netzwerk:
Kusslied, das mich zum Dahinschmelzen bringen würde, wenn ich nicht wüsste, dass es ausgerechnet von Daniel ist.
    Dann wieder einmal Bibelroulette ...
    »Manchmal triffst du mich ins Schwarze, triffst mich mitten in mein Herz ...«
    Na, dann versuchen wir das doch mal.
    Ich krame meine kleine Bibel aus der Tasche und schlage sie willkürlich auf.
    »So nahm der Knecht zehn Kamele von den Kamelen seines Herrn und zog hin.« 1. Mose 24. Das könnte man vielleicht als Hinweis deuten, dass ich einen Raucher suche?
    »Und Salomo baute das Haus und vollendete es.« 1. Könige 6,14. Sorry, aber dazu fällt mir nichts ein.
    »Abia aber wurde mächtig. Und er nahm vierzehn Frauen und zeugte zweiundzwanzig Söhne und sechzehn Töchter.« 2. Chronik 13,21. Wie schön für ihn. Das sind pro Frau, äh Moment mal ... achtunddreißig Kinder insgesamt ... zwei Komma vier Kinder. Das geht ja sogar. Ich dachte immer, die hatten früher mindestens zehn Kinder oder so.
    Ich glaube, bei mir klappt das nicht mit dem Vers, der ins Schwarze trifft. Weder die Kamele noch Abias Familienleben interessieren mich besonders.
    Auch Psalm 105, Vers 18: »Sie zwangen seine Füße in Fesseln und sein Leib musste in Eisen liegen«, hilft mir nicht weiter. Ich hoffe bloß, dass das auf Basti nicht zutrifft und er demnächst verhaftet wird.
    Der nächste Versuch. »Geh hin und wasch dich siebenmal im Jordan.« 2. Könige 5,10. Das ist an Naeman gerichtet, den ausländischen Feldhauptmann, der sich im Jordan untertauchen sollte, um geheilt zu werden.
    Apropos Fluss – mit dem Aubach verbinde ich meine schönsten und meine schlimmsten Erinnerungen. Dort habe ich Daniel zum ersten Mal geküsst. In der Lagerhalle am Ufer habe ich um sein Leben gekämpft. Dort hätte Basti ihn fast umgebracht. Auch er verbindet damit ein einschneidendes Erlebnis.
    Hm. Die alte Halle. Eigentlich ein perfektes Versteck für jemanden, der auf der Flucht vor der Polizei ist. Die kommen bestimmt nicht so schnell darauf, so weit draußen nachzusehen. Hinter den unzähligen Bretterstapeln und alten Gerätschaften entdeckt man niemanden, der nicht gesehen werden will. Da müssten sie schon Hunde mitbringen.
    Da ich sowieso nichts Besseres zu tun habe, könnte ich genauso gut mal hinfahren.
    Ich bin diese Strecke schon mehrmals geradelt, die Straße entlang zum Fluss. Und ein Mal hatte ich, so wie jetzt, das dringende Ziel, jemanden zu finden. Der Aubach wird für mich immer mit Regen und Dunkelheit, Kälte und Angst in Verbindung stehen.
    Doch heute ist ein sonniger Apriltag. Es fühlt sich fast an, als hätte ich ein Picknick vor. Aber die Sorge um Tine ist untrennbar mit mir verbunden, selbst wenn ich nicht an verschwundene Mädchen denke. Die ganze Zeit über ist es, als hätte ich etwas gegessen, was mir nicht bekommt, und es bleibt in meinem Magen. Wie der Wolf im Märchen, der Steine im Bauch hat, die ihn schlussendlich runter in den Brunnen ziehen.
    Natürlich sieht der Aubach an einem solchen Osterferientag aus, als könnte ihn kein Wässerchen trüben. All dies Gefunkel und Glitzern, und wenn ich lange genug hingucke, kann ich Fische erkennen, die sich zwischen die goldenen Strahlen im Wasser schieben.
    Ich schließe mein Rad ab und schlendere am Ufer entlang. Von irgendwo höre ich Lärm und Stimmen, schätzungsweise eine Familie, die sich diesen Platz für einen Ausflug ausgesucht hat. Ich tu für mich selbst so, als sei ich quasi zufällig hier, nur um mich an letztes Jahr zu erinnern, um die Landschaft zu genießen, um nachzudenken. Nicht, um jemanden zu suchen. So kann ich vielleicht verhindern, dass ich zu enttäuscht bin, wenn nichts dabei herauskommt.
    Während ich durch das Wäldchen gehe, fällt mir plötzlich etwas ein, worüber ich gar nicht nachdenken möchte: Angenommen, Tine ist nicht mit Basti abgehauen, sondern irgendein irrer Mädchenmörder hat sie erwischt – ist es dann so besonders schlau, hier mutterseelenallein herumzuspazieren, solange der Typ noch auf freiem Fuß ist?
    Mist, hätte ich das lieber nicht gedacht. Ich gucke mich mehrmals um, während ich durch den Wald trabe. Sonst kam er mir nicht so furchteinflößend vor, als könnte in jedem Gebüsch und hinter jedem Baumstamm jemand lauern.
    Vielleicht schaue ich die falschen Filme. Die, in denen junge Mädchen immer zu blöd sind, um den Lichtschalter zu betätigen oder jemanden in die Gefahr mitzunehmen.
    Mir fällt auf, dass ich ziemlich genau so blöd bin. Warum habe ich nicht gewartet,

Weitere Kostenlose Bücher