Narzissen und Chilipralinen - Roman
zurückzukommen.«
»Warum sollte Tine denn mit mir abhauen?«, fragt er. Bitter. Immer noch wütend. »Sie hat doch ihren ach so tollen Finn.«
»Finn ist ein Idiot.«
Das ringt ihm endlich ein schwaches Lächeln ab.
»Die Aufführung war eine Katastrophe, ohne dich.« Wenn ich immer bloß weiterrede, dringe ich vielleicht irgendwann zu ihm durch. »Finn war schrecklich, Tine hat ihren Text vergessen, und ich hab meinen Einsatz verpasst. Nur Sonja, die war richtig gut. Mit dir wäre es viel besser geworden! Vielleicht wiederholen wir das Ganze ja mal, so wie ich es zuerst geplant hatte, ohne Finn, du als reuiger Soldat, Tine als Hoherpriester ...«
»Ja«, sagt er leise, »vielleicht machen wir das.« Es klingt so trostlos, dass ich wiederum Angst bekomme.
»Basti, was ist los?«, will ich wissen. »Warum versteckst du dich überhaupt?«
»Tine ist weg«, sagt er. »Sie werden mich verhaften. Für die Polizei bin ich doch der Hauptverdächtige!«
»Dass du abgehauen bist, macht es nicht besser«, wende ich ein. »Wenn du unschuldig bist, haben sie doch nichts gegen dich in der Hand. Sie werden dich gehen lassen müssen.«
Er schüttelt den Kopf. »Glaub ich nicht«, sagt er frustriert.
»Haben sie denn ... irgendwas gegen dich in der Hand?«
Ich beginne innerlich zu zittern. Basti ist aggressiv und impulsiv und leicht zu beeinflussen. Er hat keine reine Weste, ich weiß nicht genau, was er bereits alles angestellt hat. Ein paar krumme Dinger hat er bestimmt schon gedreht. Aber trotzdem ... es darf einfach nicht wahr sein, dass er etwas mit Tines Verschwinden zu tun hat.
»Das kann nicht sein«, sage ich schließlich, als er solange schweigt, dass es schmerzt. »Das glaube ich nicht. Sie bedeutet dir etwas. Du würdest ihr nie etwas tun.«
Er starrt mich eine Weile an, finster, dann, während ich seinen Blick ungerührt aushalte, entspannt sich sein Gesicht auf einmal und er atmet tief durch. »Ja«, sagt er. »Sie bedeutet mir etwas.« Seine Worte schweben wie goldene Staubflocken durch die Luft. Dann wird er wieder heftig, als er sagt: »Aber das macht es nur noch schlimmer, oder? Daraus werden sie mir erst recht einen Strick drehen. Der Junge, der ihr sein Herz zu Füßen gelegt hat und den sie bloß ausgelacht hat!«
»Basti.« Ich lege ihm die Hand auf den Arm, merke, wie er zittert, wie er friert. Es ist kühl hier, die Sonne ist ausgesperrt, nur ihre Farben kommen hier herein. Er ist hier mit seinem ganzen Elend und friert. »Sebastian.« Wenn ich seinen ganzen Namen ausspreche, klingt es, als würde ich ihn ernster nehmen, ihn für erwachsener halten, nicht für jemanden, über den man lacht. »Sie hat dich nicht ausgelacht. Und wenn, dann bloß, weil sie total unsicher und nervös war. Ich hab euch doch gesehen, im Winter, auf dem Rodelberg. Wie sie gelacht hat, gestrahlt, deinetwegen! Was glaubst du denn, warum ich dachte, sie ist mit dir zusammen weg?«
Er zögert, meine Worte haben ihn getroffen. »Meinetwegen?«, fragt er ungläubig. »Aber ... sie wollte mein Geschenk nicht.«
»Was weiß Tine denn, was sie will!«, rufe ich ungeduldig. »Glaubst du, irgendeiner von uns weiß das? Man schaut mal hier, mal da ... vielleicht schickt sie Finn morgen schon in die Wüste?«
Tine ist nicht da, aber ich spreche von ihr, als wäre sie es.
»Bei dir ist es anders«, sagt Basti. »Du und Daniel, ihr seid euch sicher, dass ihr zusammengehört.«
Ich denke an das unglaublich schöne Lied auf der CD, bei dem mir jetzt noch ein Schauer den Rücken hinunterläuft. »Nein«, widerspreche ich leise, »sind wir nicht. Erst war ich in Tom verliebt und dann in Daniel und jetzt ...« Ich beiße mir auf die Zunge, bevor ich irgendetwas Falsches sage. Natürlich liebe ich Daniel noch immer, und der Ostertag ist in mein Herz eingebrannt wie ein Tattoo. Und trotzdem, wir sind siebzehn (in zwei Wochen ist es bei mir auch so weit), und keine unserer Entscheidungen ist in Stein gemeißelt.
Wenn Basti Hoffnung braucht, die Hoffnung, dass Tine ihn nicht ein für alle Mal und in alle Ewigkeit verdammt hat, warum sollte ich sie ihm nicht geben?
Etwas raschelt hinter uns, knirscht. Tom steigt die Stufen hinunter und ist auf eine Glasscheibe getreten. Mist, wie viel hat er gehört? War er schon da, als ich gesagt habe, dass ich mal in ihn verliebt war? Jesus, peinlicher geht’s ja wohl nicht. Mir wird heiß. Ich tue einfach so, als wäre nichts.
»Wie viele kommen denn noch?«, fragt Basti und tritt einen Schritt
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