Narzissen und Chilipralinen - Roman
Ganz schön verräterisch, sie hängen zu lassen, abgesehen davon, dass diese Ausrüstung bestimmt nicht billig ist.
»Ich rufe Bastian an«, sagt Tom neben mir.
»Wir wollten ihn nicht mit reinziehen«, erinnere ich ihn.
»Ich weiß, aber was sollen wir machen?«
Wir haben keine Wahl. Tabita hat die undankbare Aufgabe, im Treppenhaus zu warten, bis Hilfe eintrifft. Sie soll Basti reinlassen, sobald er kommt.
Tom und ich legen uns flach auf die Ziegel, damit wir nicht doch jemandem auffallen, der vielleicht vom Haus gegenüber aus einem Fenster schaut. Wir liegen auf dem Rücken, und ich betrachte die Sterne über uns. Der kühle Wind treibt Wolkenfetzen über die Himmelswiese. Es wird immer kälter; wir sind noch lange von lauen Sommernächten entfernt.
»Da ist der Große Wagen«, sage ich mit klappernden Zähnen. »Und damit endet schon mein Astronomie-Wissen.«
Tom lacht leise. »Montag hab ich meine erste Abi-Klausur. Ich hoffe, bis dahin haben wir wieder festen Boden unter den Füßen. Meine Mutter glaubt, dass ich in meinem Zimmer sitze und lerne. Mein Vater würde sich im Grabe umdrehen.«
Und stattdessen sitzen wir wie bestellt und nicht abgeholt auf einem Dach fest.
»Was machst du nach dem Abi?«, frage ich ihn. »Weißt du das schon?«
»Dann fängt das lustige Studentenleben an.«
»Musik?«
»Informatik.«
Das klingt für mich so ... langweilig. »Spielst du nicht in einer Band?«
»Das ist längst Geschichte.«
»Echt? Und ich dachte, damit lockst du die Mädchen an.«
»Welche Mädchen?«, fragt er.
Er hat keine Freundin. Komisch eigentlich, wo ihn doch bestimmt Hunderte toll finden. Da wir hier so vertraut auf dem Dach herumliegen, frage ich ihn danach. Weil ich einen Freund habe, darf ich das.
»War nie eine für dich dabei?«, erkundige ich mich. »Nach Mandy?«
Tom ist lange still. Ich frage mich schon, ob ich ihn verletzt habe. Ob er sie immer noch liebt, sie ihr ganzes Leben lang lieben wird und nie wieder was mit einer anderen anfangen kann.
»Ich kann es nicht beweisen«, sagt er schließlich, »aber ich weiß, dass sie dahintersteckt.«
»Was meinst du?«
»Immer wenn ich mich für jemanden interessiere, ein bisschen länger mit einer rede ... zieht dieses Mädchen sich wenig später sofort zurück und ist für mich nicht mehr zu sprechen. Antwortet nicht auf meine Anrufe. Es ist immer schon vorbei, bevor es überhaupt angefangen hat.«
Ich versuche zu begreifen, wovon er spricht. Was er da andeutet. Wenn ich Mandy nicht kennen würde, würde ich es als Einbildung abtun. Das Dumme ist allerdings, ich kenne Mandy, ich weiß, wozu sie fähig ist.
»Sie schüchtert sie ein? Alle, mit denen du flirtest?«
»Einschüchtern, erpressen, bedrohen ... was weiß ich. Mit mir redet ja keine mehr. Wenn es nicht jedes Mal wäre, würde ich glauben, ich leide an Verfolgungswahn. Aber es passiert einfach immer.« Ich spüre, wie er mich ansieht, seine Augen wie Sterne. »Lässt sie dich denn zufrieden?«
»Ich bin mit Daniel zusammen, Tom«, sage ich.
Das ist keine richtige Antwort. Ich unterschlage Mandys Beschimpfungen. Wie gehässig sie wird, sobald sie erfährt, dass ich auch nur mit Tom geredet habe. Wie sie Druck aufbaut, eine Wand aus Feindseligkeit und Zorn. Ich erinnere mich daran, wie Kim uns im Schnee beobachtet hat. Vielleicht war das kein Zufall. Vielleicht hat Mandy sie geschickt, damit sie uns nachspioniert und ihr alles berichtet, was wir so treiben.
»Ja«, sagt er leise, »das bist du. Ist trotzdem nett, mit dir zusammen auf dem Dach festzusitzen.«
Endlich, nach einer schier endlosen Zeit, hören wir ein Geräusch am Dachfenster. Dann schwingt es auf und Bastis Kopf erscheint. Seine hellen Haare leuchten wie ein Heiligenschein. »Seid ihr da oben, Leute?«
»Sind wir.« Tom löst rasch die Halteseile, und wir steigen hinunter in den Wäscheraum. Tabita steht neben einer Waschmaschine und reibt sich die Oberarme.
»Danke.« Tom schlägt seinem Kumpel auf die Schulter. »Saubere Arbeit.«
Basti grinst. »Manche Dinge verlernt man eben nicht.«
Die Tür zum Dachboden ist aufgebrochen, das Schloss leicht beschädigt. Wahrscheinlich eine Sache von ein paar Sekunden. Tabita lächelt grimmig. »Das musst du mir beibringen. Dann hätte ich es selbst gemacht.«
»Lass mal lieber«, meint er. Dann wendet er sich an uns. »Halt, was wird das?« Wir wollen gerade aus unseren Gurten steigen.
»Wir fahren nach Hause?«, frage ich versuchsweise.
»Wie bitte? Nach
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