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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Dalinger
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sich aufrichten will, rutscht er aus und landet mit einem dumpfen Knall auf dem Hintern.
    »Sei doch still«, zische ich.
    Er macht ein schuldbewusstes Gesicht und rutscht vorsichtig näher, nachdem er sich ebenfalls abgesichert hat.
    Wir müssen uns aufs Balkongeländer hinunterlassen. Doch zunächst muss Tabita überprüfen, ob Frau Erlmeyer zu Hause ist. Ich wähle kurz ihr Handy an, damit meine Schwester Bescheid weiß, dass sie jetzt an der Reihe ist. Daraufhin wird sie klingeln, und falls Finns Mutter da ist und die Tür aufmacht, wird sie erklären, sie hätte ein Päckchen mitgebracht. Eine Sammlung christlicher Zeitschriften, die Finn angeblich für irgendein
Life and Hope
-Projekt braucht. Frau Erlmeyer kennt Tabitas Gesicht von der Kirche her, also wird sie keinen Verdacht schöpfen und sich in ein Gespräch verwickeln lassen. Während sie an der Tür ist, müssen wir auf den Balkon hinunterklettern, durch die Scheibe Finns Zimmer in Augenschein nehmen und wieder verschwinden.
    Wir warten die Zeit ab, die jemand vielleicht brauchen würde, um zur Tür zu gehen. Dann nicken wir uns zu. Es ist so weit.
    Tom geht als Erster. Er schwingt die Beine über die Dachrinne, schaut mir in die Augen, grinst und lässt dann los. Ich höre, wie er aufkommt.
    Dann bin ich dran. Ich setze mich ganz nah an die Kante und schwinge mich hinunter. Meine Füße treffen auf das Geländer, ich schwanke, einen Moment lang fürchte ich, ich könnte nach hinten fallen – dann hält Tom mich fest und hilft mir von der Brüstung herunter. Wir stehen auf dem Balkon.
    Beide Glastüren sind zu. Vielleicht haben wir ja Glück und Frau Erlmeyer ist gar nicht da.
    Vor der Balkontür zum Wohnzimmer hängt eine weiße Gardine, die nur einen Teil der Einrichtung erahnen lässt. Vor Finns Tür versperrt eine gelbe Stoffgardine die Sicht, aber die ist glücklicherweise nicht ganz zugezogen. Ich leuchte mit der Taschenlampe durch die Scheibe, kann ein bisschen was erkennen – ein Bett, einen Kleiderschrank. Gerade als ich mein Handy zücke, um Fotos zu machen, klingelt es.
    »Sie hat mich abgewimmelt und macht gerade die Tür zu«, flüstert Tabita. »Was soll ich machen?«
    Ich gebe Tom ein Zeichen. »Wir müssen zurück aufs Dach, sie kommt wieder rein.«
    Wir greifen nach unseren Seilen, um hochzuklettern, da geht schon im Wohnzimmer das Licht an, und Frau Erlmeyer stellt den Karton mit den Zeitschriften auf den Tisch. Jetzt müsste sie ihn in Finns Zimmer bringen und das Licht einschalten, damit wir besser reingucken können. Ich halte Toms Arm fest, während ich darauf warte, dass sie die Sachen ihrem Sohn ins Zimmer trägt. Doch stattdessen verschwindet sie wieder, in der Küche vermutlich.
    Schade! Mit der Taschenlampe haben wir einfach zu wenig gesehen, das hat sich ja gar nicht richtig gelohnt.
    Ich seufze und nickte Tom zu. Wir klettern aufs Dach zurück, wobei ich hoffe, dass uns die Dunkelheit schützt. Endlich auf dem Dach, da, das Dachfenster.
    Warum ist es so hell? Wir spähen durch die Scheibe. Ich sehe eine fremde Frau, die Wäsche in einen Korb packt und dann die Waschmaschine auslädt und neue aufhängt. Es dauert endlos. Eine Klammer, eine zweite. Bücken, neues Teil. Eine Klammer, noch eine. Als sie endlich fertig ist und das Licht ausmacht, atme ich auf.
    Tom zerrt am Fenster. »Sie hat es geschlossen«, flüstert er. Sein Gesicht kann ich nicht erkennen, dazu ist es zu dunkel.
    Und was jetzt?

16.
    Wie kommen wir jetzt runter in die Wäschekammer?
    »Tabita muss uns reinlassen«, sage ich leise. »Wo ist sie bloß? Sie wartet bestimmt im Treppenhaus auf uns.«
    Er legt seine Hand auf meine. »Warte. Was, wenn sie sich irgendwo versteckt und das Klingeln sie verrät?«
    »Sie wird ja nicht bei denen in der Wohnung sein.« Ich kann meine kleine Schwester nicht stundenlang in einem dunklen Flur warten lassen, stimmt’s? »Ich muss es riskieren.«
    Also wähle ich ihre Nummer an und warte.
    Sie geht sofort ran. »Mensch, wo seid ihr?«, zischt sie.
    »Auf dem Dach«, raune ich. »Das Fenster ist zu, du musst es für uns aufmachen!«
    »Kann ich nicht«, flüstert sie. »Diese Frau, die vorhin hier war, hat abgeschlossen.«
    Das fehlte noch! Wie kommen wir jetzt hier raus? Tabita könnte höchstens noch mal bei Frau Erlmeyer klingeln und um den Schlüssel bitten. Doch damit würden wir uns ja selbst verraten! Ob die Seile lang genug sind, um uns abzuseilen, bis ganz nach unten? Aber wer löst dann die Seile von den Masten?

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