Narzissen und Chilipralinen - Roman
war und bei dem sie nicht sicher war, ob man es noch essen konnte. »Das will ich sehen.«
Toms blaue Augen hatten etwas von Eis, als er auf die Knie ging. »Tut mir leid«, murmelte er. »Es war nicht fair, und es hätte nicht so enden sollen. – Zufrieden?«
Mandy starrte böse auf ihn herunter. »Du hast dich wie ein Arschloch benommen. Sag es. Sag: Ich hab mich wie ein Arschloch benommen.«
»Ich hab nicht ...«, protestierte er, dann bemühte er sich darum, lammfromm zu sein, und wiederholte ihre Worte. Wenn auch zähneknirschend. »Gibst du uns jetzt endlich das Video?«
»Warum?«, fragte sie. »Das war für deine Gemeinheiten. Jetzt kommen wir zur Sache.«
»Musst du wirklich alle und jeden erpressen?«, fragte Daniel. »Wir geben es dir zurück, wenn wir es angesehen haben. Außerdem gehört es dir und Miriam zusammen.«
»Gar nicht«, widersprach sie. »Miriam ist tot, also ist es meins. Und außerdem war es sowieso meine Kamera.«
»Dafür war es ihre Idee.«
Mandys Blick blieb hart. »Nun?« Sie wandte sich an Tom, es war klar, dass es ihr vor allem um ihn ging. Darum, ihm eins auszuwischen. Daniel war nebensächlich. Wenn er allein hergekommen wäre, hätte sie schon längst die Tür zugeknallt, Fuß auf der Schwelle oder nicht. Womöglich hätte sie ihm mit ihren Absätzen in den Schuh gestochen, damit er sich davonmachte. Aber Tom ... ihn zu ärgern und zu demütigen, dieser Chance konnte sie nicht widerstehen. Nicht zum ersten Mal fragte Daniel sich, warum Miriam überhaupt jemals mit ihr befreundet gewesen war.
»Nun was?«, fragte Tom. »Ich habe mich entschuldigt, obwohl du genau weißt, wie es wirklich gewesen ist. Aber wenn’s dir Spaß macht, bitte.«
»Du hast mir das Herz gebrochen!«
»Ich habe bloß die Flucht ergriffen, als ich gemerkt habe, wie schwarz deine Seele wirklich ist«, erwiderte Tom kühl.
Mandy lachte auf. »Und jetzt soll ich dir dafür das Video geben? Keine Chance. Verschwinde.«
»Was willst du?«, fragte er, obwohl er doch wissen musste, dass sie nur auf diese Frage wartete.
»Okay.« Mandy überlegte. In ihren Augen glühte etwas auf. »Dann spielen wir mal ein bisschen. Ich frage, du antwortest. Die Wahrheit. Nichts als die Wahrheit.« Ihr Blick streifte Daniel und ließ ihn frösteln. »Also, Tom, was war zwischen dir und Messie? Spuck’s aus.«
»Nichts«, sagte Tom.
»Komisch. Das hat sie auch immer behauptet. Warum kann ich das bloß nicht glauben?« Mandy verdrehte die Augen. »Weil ich sie kenne. Und dich kenne ich auch. Wag es nicht, mich anzulügen, oder du siehst dieses Video überhaupt nicht. Eher zerschreddere ich es.«
»Ich mag sie«, sagte Tom leise. Das war Daniel an ihm sympathisch – auch er weigerte sich, so von Miriam zu sprechen, als sei sie tot. »Sie ist ein tolles Mädchen. Hübsch und witzig. Ich konnte mir ihr über alles reden, Dinge, die ich sonst niemandem auf der Welt gesagt habe.«
»Du magst sie?«, wiederholte Mandy skeptisch.
»Was willst du denn noch hören? Dass ich sie liebe? Dass ich in sie verliebt bin, bis über beide Ohren? Dass ich jede Nacht weinend einschlafe, weil sie verschwunden ist? Bist du nun zufrieden?«
Daniel sagte nichts. Er versuchte, Tom nicht anzusehen, seine Gegenwart auszublenden.
»Wartet hier.« Mandy verschwand und kam kurze Zeit später zurück. »Hier.« Sie legte einen Datenstick auf Toms ausgestreckte Hand. »Bitte schön, das hast du dir verdient. Und weißt du, warum ich nicht frage, ob sie auch in dich verliebt war?« Sie lächelte, ein Lächeln, das Daniel galt, und er wunderte sich, wie hinter diesem schönen Gesicht so viel Grausamkeit verborgen sein konnte. »Weil sie das immer gewesen ist. Schon seit Jahren. Glaubst du echt, Daniel, dass dieses Zwischenspiel mit dir von Dauer gewesen wäre? Vergiss es, Mann. Sie wollte immer nur Tom. Ganz egal, was ich ihr über ihn erzählt habe, sie hat es nie glauben wollen. Sie war verrückt nach ihm, schon seit der fünften Klasse oder so.«
Jedes ihrer Worte war wie ein Nadelstich. Wie Gift. Es brannte in seinen Augen, in seinem Herzen, das sich wie taub anfühlte. Tom und Miriam. Wusste ich es nicht? Das ist die Wahrheit, aber solange du diesen Kampf führst, musst du es vergessen.
Denn du wirst alles für sie tun, was du kannst, ganz egal, ob sie dich liebt oder jemand anderen, ist es nicht so?
Auch dieser Wahrheit konnte er nicht entkommen.
»Und die Adressenliste, bitte«, hörte er sich sagen. Komisch, dass seine Stimme noch
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