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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Dalinger
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er.
    »Hör mir endlich zu«, befahl sie. »Was auch immer dieser Typ mit ihr angestellt hat, wir finden es heraus. Du warst auf dem Fluss, nicht ich. Was kann er gemacht haben? Erzähl. Denk nach. Streng dein Hirn mal an, zur Abwechslung.«
    Er dachte nach. Der Fluss. Die Kanus. Finn und Miriam ganz hinten, die Letzten. Willi und Victoria waren nicht mehr mitgefahren. Dass Victoria beim Einsteigen ins Wasser gefallen war – vielleicht war es Absicht gewesen, vielleicht hatte Finn dafür gesorgt? Weil er von vornherein etwas plante. Nur was? Wenn er das Boot umgekippt hatte ... wenn er sie ertränken wollte ... warum hatte man sie dann nicht gefunden? Wie hätte er sie wegbringen können, ohne dass jemand es mitbekam? Finn hatte nicht viel Zeit. Er musste die anderen rufen. Wenn seine Geschichte nicht hundertprozentig stimmte, würde ihm die Polizei nicht abnehmen, dass es ein Unfall gewesen war. Es verschwanden etwas zu viele Mädchen aus Finns Umfeld, und diesmal war kein Bastian in der Nähe, dem man die Schuld in die Schuhe schieben konnte.
    Weil ich dich zu sehr liebe, im Dunkeln schrillen die Geigen ...
    Finn hätte höchstens ein paar Minuten gehabt. Minuten, die er angeblich damit verbracht hatte, nach Miriam zu suchen. Fünf Minuten? Etwas mehr? Wohin hätte er sie in dieser kurzen Zeit bringen können?
    Er presste die Fäuste gegen die Schläfen.
    Sie verstecken? Irgendwo im Gebüsch?
    Sie alle hatten nur im Wasser gesucht und am Ufer. Nicht weiter weg im Wald. Finn hatte sich geweigert, im Krankenwagen mitzufahren, obwohl er fröstelte und zitterte und wirres Zeug redete. Wer hatte ihn eigentlich nach Hause gebracht? Michael? Einer der Väter?
    Bestimmt hatte die Polizei mit ihm geredet. Denen musste ja auch aufgefallen sein, dass er Tines Freund war. Was ihn vielleicht verdächtig machte, aber wer konnte ihm schon nachweisen, dass es kein Unfall gewesen war?
    Die Suche nach der Vermissten hatten sie abgebrochen, weil es zu dunkel wurde.
    War Finn da wohl zurückgekommen, um sie zu holen? Oder lag sie noch irgendwo im Wald?
    »Was ist?«, fragte Tabita. »Kannst du bitte mal laut denken?«
    Daniel sprang auf. »Ich will noch mal zurück an den Fluss.«
    Er wollte ihr sagen, dass sie zu Hause bleiben sollte, dass sie zu jung war, aber ehrlich gesagt wollte er auf ihr scharfes Auge nicht verzichten.
    »Gut«, sagte er. »Komm mit.«
    »Mit dem Fahrrad?«, fragte sie skeptisch.
    Fragen wir Michael, wollte er spontan sagen. Doch Michael hielt nichts von Verdächtigungen und unbewiesenen Unschuldigen. Er würde das Gleiche vorschlagen, was auch Daniel vor kurzem noch für das Beste gehalten hatte: Finn einfach zu fragen und mit ihren Vermutungen zu konfrontieren.
    Nein, diesen Fehler wollte Daniel nicht noch einmal machen. Er wollte sich nicht schon wieder von undurchschaubaren Lügen verwirren lassen.
    Zum Glück kannte er noch jemanden, der ein Auto hatte.
    Denselben, den auch Miriam ständig anrief, wenn sie ein Problem hatte.
    Tom.
    Tom blickte über das trübe Wasser. Was er wohl dachte? Was wohl Tom sah, wenn er die Augen schloss? Miriam, wie sie im Wasser trieb, ihr langes dunkles Haar wie Gras, das mit den Wellen tanzte? Ihr Gesicht bleich im schwarzen Wasser? Was sah Tom? Was sahen die, die sie geliebt hatten?
    Es hatte viel geregnet in den letzten Tagen. Wenn es jemals Spuren gegeben hatte, waren sie längst weggeschwemmt worden. Die Polizei hatte aufgegeben, jedenfalls an dieser Stelle. Soviel Tabita berichten konnte, suchten sie weiter flussabwärts.
    Daniel war nicht an den Uferzonen interessiert, durch die er jetzt mehrfach gegangen war, immer auf der Suche, als hätte jemand einen schweren Eisenring in sein Herz eingelassen und würde ihn daran vorwärtsziehen. Bis er sie fand. Sein Mädchen.
    Er hatte gedacht, er hätte endlos viel Zeit. Hatte versucht, seine Hände im Zaum zu halten, wenn es ihn juckte, sie anzufassen. Sie zu streicheln. Am besten überall. Er wollte nicht zu schnell zu weit gehen, es nicht verderben, irgendwann an einen Punkt gelangen, an dem es kein Zurück mehr gab. Irgendwie, hatte er gedacht, mussten sie es schaffen, die Balance zwischen Leidenschaft und Verantwortung zu wahren.
    Hätten sie die Zeit lieber ausnutzen sollen, solange sie es noch konnten? Oder würde es jetzt alles noch schlimmer machen, den Verlust noch unerträglicher? Bevor er sie an den Fluss verloren hatte, hatte er sie an Tom verloren.
    »Wonach genau suchen wir?«, fragte dieser.
    »Jedenfalls nicht

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