Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
Vom Netzwerk:
Radiobotschaft vom Samstag nachdenken, mit einem Bimsstein die Hornhaut von meinen Fußsohlen kratzen oder mir von Evelyn Scherkovski den Zahnstein entfernen lassen könnte. Mit einem Wort: Zeitverschwendung der übelsten Sorte.
    Wütend reiße ich meine Bürotür auf.
    »Frau Wilcek?«
    »Ja?«
    Ich fahre herum. Die männliche Stimme (Woher kenne ich sie bloß?) gehört zu einem von dunklen, exakt drei Tage alten Bartstoppeln malerisch umrahmten breiten, roten Mund. Dieser Mund befindet sich inmitten eines Männergesichtes, das mich, mit der Frisch-vom-Friseur-Gelfrisur darüber und dem gut trainierten Körper darunter, an Barbies Ken erinnert. Nicht, dass ich je einen besessen hätte. Manu, meine beste Volksschulfreundin, hat mir zum neunten Geburtstag so ein blondes Barbiepüppchen geschenkt. Unter den entsetzten Blicken der Geburtstagsgesellschaft verpasste ich ihr noch vor dem Kuchenessen mit der Bastelschere einen modischen Kurzhaarschnitt und taufte sie feierlich Barney Geröllheimer. Der ist auch blond und dämlich.
    »Hab ich was im Gesicht? Pickel oder so?«
    »Nö, warum?«
    »Sie starren mich seit fünfzehn Sekunden an, Frau Wilcek.«
    Kens Lippen verziehen sich zu einem schiefen Grinsen, das ihm ausgezeichnet steht. Mir fällt auf, dass es in der Redaktion still geworden ist, und besonders die weibliche Belegschaft auffällig interessiert aus diversen Bürotüren mit großen Kulleraugen zu uns herüberblickt. Einige BEZIEHUNGSSÜCHTIG- Schilder verschwinden, ebenso wie die Fotografien der dazugehörigen Beziehungspartner blitzschnell in Schubladen. Selbst Leni Treu, deren Hochzeit letzten Sommer mit viel Trara betratscht wurde, gafft ungeniert auf den Hintern des Kerls, als handelte es sich um ein Exponat im Museum für Moderne Kunst.
    Ich verschränke die Arme vor der Brust.
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Herr …« Wieso kommt mir Ken nur so bekannt vor?
    »Kareem.« Er streckt die rechte Hand aus. In der Linken trägt er eine dieser sauteuren Neopren-Laptoptaschen in Anthrazit. »Ramy Kareem,
Radio Wien Eins,
wir haben telefoniert. Die Verabredung zum Livechat«, ergänzt er, als ich keine Anstalten mache, seine Hand zu ergreifen und zu schütteln. Mich nimmt jedoch die wundersame Wandlung seriöser Journalistinnen in errötende Fangirls zu sehr in Beschlag. In Dottis Kopfkino heben sie alle gleichzeitig von ihren Stühlen ab und flattern in Herzchenformation um Kens, also Kareems, Kopf. Dabei singen sie irgendetwas Schmachtendes aus einem Broadway-Musical und werfen mit Kusshändchen um sich.
    Lorenz, der genau in diesem Moment neben mich tritt und sich zu seiner vollen Größe aufrichtet, reißt mich aus dieser grauenhaften Vision.
    »Lorenz Kanzler«, sagt er und schüttelt Kareems Hand. »Ich bin Frau Wilceks Mitarbeiter«, ergänzt er, mit Betonung auf dem letzten Wort.
    »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen«, antwortet der Radiomoderator, sieht dabei aber mich an. Rosamunde Pilcher hätte in einer solchen Situation etwas von schokoladenfarbenen Glutpupillen geschrieben und das Herzchen der Hauptdarstellerin höherschlagen lassen. Warum setzt meines in unregelmäßigen Abständen aus?
    »Wir haben noch«, er wirft einen Blick auf eine protzige Armbanduhr, »zwanzig Minuten bis zum Livechat. Vielleicht können wir in Ihrem Büro schon mal den Ablauf und die Technik besprechen?«
    »Wenn es sein muss.«
    Ich kann die neidvoll dreinschauenden Stielaugen des Fangirlchors hinter mir förmlich spüren. Ich wette, die würden jederzeit mit Ramy Kareem diverse Techniken besprechen. Irritiert trete ich in mein Büro.
    »Tall Decaf Soja Latte«, sagt Kareem zu Lorenz, der Anstalten macht, uns zu folgen. »Kein Zucker.« Er schließt die Tür.
    »Gott sei Dank«, stöhnt Kareem und lässt sich in meinen Schreibtischsessel fallen.
    »Wie bitte?«
    Ich stehe unentschlossen neben meinem von ihm okkupierten Arbeitsplatz.
    »Die vielen Menschen.« Er schnappt sich ein Buch vom Liebesromanstapel und fächert sich damit Luft zu. Der Titel lautet sehr passend
Schöner Mann, was nun?.
    »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie unangenehm das ist. Dauernd glotzen sie einen an, drängen sich um einen, legen einem ihre Hände scheinbar zufällig aufs Knie oder auf den Arm. Steht das irgendwo in Flirtratgebern? Körperkontakt suchen?«
    Dunkle Augen sehen mich aus einem perfekten Ken-Gesicht hilfesuchend an.
    »Herr Kareem …«
    »Nennen Sie mich Ramy. Bitte. Und schauen Sie nicht so böse. Entschuldigen Sie,

Weitere Kostenlose Bücher