Naschmarkt
ich bin nicht immer so, aber heute war einfach so ein richtiger Scheißmontagmorgen. Kennen Sie das?«
»Bestimmt nicht beschissener als meiner.«
»Wollen wir wetten?«
»Gilt.«
Ich setze mich auf einen der Bücherstapel, nehme meine Brille ab, um sie zu putzen, und deute dann auf Kareems Brust.
»Sie zuerst.«
»Also gut. In der Früh ruft mich meine Mutter an. Komplett aus dem Häuschen. Meine Cousine Dina heiratet nächsten Monat. Das ist die dritte Cousinenhochzeit in diesem Jahr. Wir sind eine typische persische Großfamilie, auch wenn wir seit zwei Generationen in Wien leben.
Wen bringst du mit, Ramy, wen?,
fragt meine Mutter. Ich hasse die Frage. Ich höre sie schon seit fünfzehn Jahren ununterbrochen. Meine Cousine hasse ich übrigens auch.
Minuten später kommt eine Mail von meinem Chef. Die Einschaltquoten sind im letzten Monat gesunken. Darum soll ich an meine Fernseherfolge bei
Dancing Stars
anknüpfen und halb nackt für das Cover einer Frauenzeitschrift posieren. Ausgerechnet ich. Ich laufe nicht mal daheim nackt herum, ich hasse Schwimmbäder und gehe nie aufs Pissoir, sondern immer in die Kabine.
Mehr Action, mehr Spaß, mehr Sex,
meint mein Chef. Und auf dem Weg hierher, ich war ohnehin spät dran, hat mich in der Straßenbahn eine Frau erkannt. Sie bat mich um ein Autogramm, worauf ihr Begleiter ihr eine Szene machte und sich vor meinen Augen von ihr trennte. Sie, in Tränen aufgelöst, lag in meinen Armen, was mehrere andere Fahrgäste mit ihren Handys gefilmt haben. Ich wette, es ist schon auf YouTube und morgen in den Klatschspalten.
»Glauben Sie mir, mein Name eignet sich super für Schlagzeilen. Aber wenigstens meine Mutter wird sich freuen. Jetzt Sie.«
Er beugt sich gespannt vor und hebt erwartungsvoll die rechte Augenbraue. Ob er die zupft, dass sie so perfekt aussieht?
»Hm, eigentlich so ähnlich«, antworte ich und lege die Brille beiseite. Wie von selbst streicht meine rechte Hand eine widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr, als gehörte sie nicht zu mir, sondern zu Dita von Teese. »Bis auf die Sache mit der Hochzeit, dem Pocover und dem Trennungsautogramm. Ich soll zum Speeddating, damit mein Blog schärfer wird.«
»Sie haben gewonnen«, sagt Kareem, und wir müssen gleichzeitig lachen. Kein unangenehmes Geräusch.
In dem Moment öffnet sich die Bürotür, und Lorenz bückt sich unter dem Türstock durch, drei Starbucks-Becher im Arm. Er sieht von Kareem zu mir, zu meiner Brille auf dem Tisch und zurück zu Kareem.
»Hab ich was verpasst?«, fragt er finster.
»Nein, nein«, antworte ich und setze rasch die Brille wieder auf. »Wir haben nur über Montagmorgenkatastrophen gesprochen.«
»Cool, ich höre Ihre Sendung auch ab und zu.«
Hat Lorenz Kanzler soeben einen bissigen Seitenhieb plaziert? Kareem hat nichts davon mitbekommen. Er schnuppert an dem Getränk, das mein Kollege besorgt hat.
»Chai Tea, wie immer, Dotti«, sagt Lorenz und stellt einen dampfenden Becher vor mich. »Und ein Tall Decaf Latte«, ergänzt er, »Sojamilch war aus.« Ein Hauch von Zufriedenheit kehrt in Lorenz’ Gesicht zurück.
»Ich hab übrigens die Kleidermann im Treppenhaus getroffen. Sie hatte einen Typ im Schlepptau, der aussah, als wäre er aus der After-Eight-Werbung und litte an einer Minzallergie.«
Seit ihrem Anruf in Kareems Radiosendung ist mir klar, dass Beatrice Kleidermann es auf mich abgesehen hat. Ihre neue Hauptbeschäftigung ist es, mir in meinen frigiden Hintern zu treten. Ich frage mich, ob sie schon an einer entsprechenden Story dran ist. Vielleicht ist der Typ irgendein Fernsehpromi, der öffentlich auf meinem Blog herumhacken wird.
»Dotti?« Ein Hauch von Kareems Aftershave katapultiert mich wieder in mein Büro zurück. Ich blinzle. »Ich darf doch Dotti sagen, oder? Ich hasse das Gesieze.«
Ich zucke mit den Achseln.
»Von mir aus. Ist das eigentlich auch eine Anordnung von deinem Chef?«
»Was? Dass wir uns duzen?«
»Nein, der Livechat. Mehr Action und Sex für bessere Einschaltquoten?«
Ramy Kareem stützt das Kinn auf seine Hände und legt die Stirn in malerische George-Clooney-Falten.
»Keineswegs, Dotti. Der Chat war meine Idee.«
»Ach«, wirft Lorenz ein, während er in seinem eigenen koffeinfreien Kaffee rührt, »Sie haben echt ein Feeling dafür, wie man sich wo profilieren kann. Ist das angeboren, oder lernt man das im Celebrity-Training?«
»Weder noch. Ich hab’s von meinem Spieglein an der Wand. Das sagt mir täglich, wie schön
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