Nasenduscher: Roman (German Edition)
beschränkt. Wie gesagt, er ist blind. Aber er hat das Gehör eines Präriewolfs.
»Scheiße, du hast recht. Der alte Jablinski würde uns mit Handkuss bei Frau Schirmer verpfeifen. Die wartet ja nur drauf, dass sie uns endlich aus dem Haus hat.«
»Hm, na ja. Vielleicht haben wir Glück, und er bekommt nichts mit. Ist schließlich nur für zwei Wochen. Und wir haben lediglich eine Katze in der Wohnung und keinen Köter, der uns die Nachbarschaft zusammenbellt.«
»Einen Kater.«
»Ja, zur Hölle. Dann eben einen Kater.«
»Dann lass uns mal hoffen, dass er uns die nächste Zeit nicht über den Weg läuft.«
»Wird er schon nicht. Da fällt mir ein, ich habe ihn schon seit Tagen nicht mehr gesehen. Warte mal. Vielleicht …«
Ich steige über die Hecke und schleiche mich an das Fenster heran. Langsam hebe ich den Kopf und schaue wie in Zeitlupe in Herrn Jablinskis Wohnzimmer. Ich bewege mich katzenhaft und vorsichtig, bis mir auffällt, dass das eigentlich völlig überflüssig ist, schließlich würde er mich selbst dann nicht sehen können, wenn ich beinahe nackt in eine Federboa gehüllt vor seinem Fenster einen Cancan tanzen würde.
»Was machst du da, Robert?«
»Ich will nur sehen, ob er überhaupt noch lebt.«
Im Wohnzimmer dröhnt das Radio. Die rustikale Schrankwand Marke Radetzkymarsch wirkt aufgeräumt wie immer. Nichts scheint auf ein vorzeitiges Dahinscheiden von Herrn Jablinski hinzudeuten. Das Kribbeln in meiner Nase wird plötzlich stärker.
»Hatschi.«
Ohne Vorwarnung schießt wie auf Befehl ein Hundekopf vor dem Fenster in die Höhe, und ich schrecke einen Schritt zurück. Sofort schlägt Dina an und bellt wie von Sinnen. Schnell laufe ich zurück zu Jana und höre noch Herrn Jablinskis Stimme, der Dina auffordert, Platz zu machen.
»Der Jablinski lebt noch.«
5
Ein deutsches Haus
I ch habe keine Kinder. Und ich möchte auch noch keine. Aber wenn ich einen dieser Quälgeister hätte und er würde unendliche Schmerzen leiden, würde es sich wohl genau so anhören wie das Geheul des triebigen Romeos.
»Der Scheißkater ist rollig, Jana.«
»Kater werden nicht rollig. Nur Katzen werden rollig.«
»Du mit deiner Besserwisserei. Ist mir doch völlig egal, wie es biologisch richtig heißt. Jedenfalls schreit der Kater wie bescheuert rum. Für mich ist er nun mal rollig.«
»Meinetwegen.«
Jana und ich liegen im Bett und sollten eigentlich schon lange schlafen. Eigentlich. Denn nicht, dass ich aufgrund meiner langsam verfaulenden Nase und weiterer allergiebedingter Probleme bereits seit Tagen nicht mehr normal schlafen konnte …
Neeeein.
Nun singt Romeo auch noch seine nächtlichen Trauerarien. Und zwar direkt in unserem Gästezimmer. Nicht, dass auch dies schon mehr als genug wäre.
Neeeein.
Ich kann Herrn Jablinskis Stimme förmlich hören, wie sie durchs Telefon zu Frau Schirmer krächzt: »Dieses Jugendpack, das da in wilder Ehe über mir wohnt, hat sich ein Haustier angeschafft, das den Mond anheult. Das Vieh scheint weder abgerichtet, noch dient es dem deutschen Volk in irgendeinem anderen sinnvollen Zweck als der puren Lotterei.«
Schade, ich mochte die Wohnung wirklich. Wir wollen zwar die größere Hundert-Quadratmeter-Eigentumswohnung mit Fischgrätparkett, die uns Bekannte seit Monaten reserviert halten, aber bis jetzt hat diese Wohnung uns stets gute Dienste erwiesen. In diesem Moment klingelt auch schon unser Telefon. Und da es weit nach Mitternacht ist, weiß ich, wer dran ist, und lasse es so lange läuten, bis sich der Anrufbeantworter einschaltet. Dann ertönt sie, die Stimme, die Jana und mir vertrauter ist als lieb.
»Herr Süßemilch, Frau Klopp, hier spricht Anneliese Schirmer. Ihre Vermieterin. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie entgegen dem Mietvertrag ein Haustier halten. Das geht so natürlich nicht. Ich werde Ihnen morgen früh gegen zehn Uhr Ihre Kündigung vorbeibringen. Bitte seien Sie zugegen. Auf Wiederhören.«
»Bitte seien Sie zugegen … Diese blöde Schrulle«, höre ich Janas Stimme neben mir.
»Ja, aber sie sitzt leider am längeren Hebel, Jana. Und sie hat schon lange darauf gewartet, uns aus der Wohnung zu kicken, damit ihre bescheuerte Enkelin hier einziehen kann.«
»Und was machen wir jetzt? Jablinski ist so krank, dass er wahrscheinlich sogar das ganze Katzengejammer auf seinem Reichskassettenrekorder aufgenommen hat. Erinnerst du dich noch an unsere Vormieterin?«
»Frau Hansen?«
»Genau. Die wollte er damals rausschmeißen
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