Nasenduscher: Roman (German Edition)
eine löschpapierdünne Stimme vernehme.
»Ich kann dir nichts versprechen, aber ich werde mal sehen, was sich machen lässt.«
»Danke.«
Ich lege auf und lehne mich zurück. Prima, das wäre schon mal erledigt. Doch die wahre Herausforderung steht mir noch bevor. Und dazu muss ich in die Höhle des Löwen.
17
Herr Jablinski
S chon vor der Wohnungstür kann ich hören, dass Herr Jablinski daheim sein muss. Das Radio ist auf volle Lautstärke gedreht, sodass man sich fragen könnte, ob die Blindheit tatsächlich sein vordergründigstes Problem darstellt. Dina, seine Schäferhündin, beginnt sofort zu bellen, als ich klingle, und Jablinskis Stimme ertönt im Inneren der Wohnung mit gewohnt militärischer Schärfe.
»Brav, Dina. Guter Hund. Platz.«
Kurz darauf öffnet er die Tür, und sofort habe ich das immer wiederkehrende Problem, wenn ich mit blinden Menschen wie Herrn Jablinski rede. Ich weiß nicht, wo ich hinschauen soll. Ihm in die Augen zu blicken erscheint mir irgendwie unsinnig. Zumal eines der beiden meist seltsam zuckt und mich das Ganze zusätzlich verunsichert. Diesmal ist es der Hemdkragen, auf den ich starre.
»Guten Tag, Herr Jablinski. Robert Süßemilch. Ihr Nachbar von oben.«
Ich deute mit dem Zeigefinger in Richtung des ersten Stocks, was sich aufgrund seiner Blindheit als ebenso überflüssig wie dämlich herausstellt. Der alte Mann antwortet zunächst nicht, und nur das Hecheln von Dina, die neben ihrem Herrchen sitzt, ist zu hören. Dann gibt er den Weg in die Wohnung frei und deutet mit einer Handbewegung an, dass ich ihm folgen soll.
»Ah, das Weichei aus dem ersten Stock. Kommen Sie rein. Ich dachte schon, dass Sie noch mal vorbeikommen würden.«
Ja, so ist er, unser lieber Herr Jablinski. Immer um einen guten, nachbarschaftlichen Ton bemüht. Mir liegt schon seit unserem Einzug etwas auf der Zunge, das ich ihm nur zu gern aufs Brot schmieren würde. Doch das wäre gerade nicht von taktischer Finesse geprägt. Schließlich will ich etwas von ihm. Stattdessen fällt mir auf, dass ich noch nie in seiner Wohnung war, die zu meiner Überraschung sehr aufgeräumt wirkt. Ich frage mich, wie das geht. Woher weiß er, wann es unaufgeräumt ist? Er sieht es doch nicht. Geschweige denn, dass ich mir erklären könnte, wie und wohin er die Sachen dann räumt. An den Wänden im Flur hängen neben einigen Wimpeln und Urkunden des örtlichen Schützenvereins auch ein paar Erinnerungen aus längst vergangenen Zeiten. Unter anderem ein Foto von Herrn Jablinski in Uniform und schmissiger Frisur. Ein attraktiver und schneidiger Kerl von kaum achtzehn Jahren.
»Setzen Sie sich«, sagt er in harschem Befehlston und deutet im Wohnzimmer auf einen freien Sessel. Er nimmt gegenüber auf dem Sofa Platz. Dann stellt er das Radio leise und schaut mich an. Jedenfalls fühlt es sich so an. »Bevor Sie etwas sagen, möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen. Meine Handlung war voreilig und beruhte auf Annahmen, die sich als fälschlich herausgestellt haben.«
»Das ist schön, dass Sie das sagen, ich wollte genau deswegen …«
»Ich war noch nicht fertig, Herr Süßemilch. Lassen Sie mich gefälligst ausreden.«
»Jawohl.«
Dina scheint den Geruch von Romeo auf meiner Hose zu wittern und kommt zu mir. Es ist die gleiche Hose, die ich zum Abendessen bei den Eilhoffs trug und auf der Romeo den halben Abend zwischen meinen Beinen verbrachte. Immer wieder stößt Dina mit ihrer Schnauze in meinen Schoß, was nicht nur unangenehm, sondern auch schmerzhaft ist. Ich bin froh darüber, dass Herr Jablinski es nicht sehen kann. Dennoch fühlt es sich beschämend an, wenn einem eine Schäferhündin ständig mit ihrer feuchten Schnauze in die Weichteile rammt, während ein älterer Herr nichtsahnend keine zwei Meter vor einem sitzt und einen scheinbar anstarrt. Doch Herr Jablinski fährt unbeirrt fort, während ich heimlich weiter mit Dina kämpfe.
»Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass ich Sie für einen Schmarotzer unserer Gesellschaft halte.« Jablinski fuchtelt mit seinen Händen in der Luft herum, als würde das etwas erklären. »Sie leben in wilder Ehe mit Ihrer Freundin zusammen, die auch noch das Geld nach Hause bringen muss. Sie sollten sich schämen. Das ziemt einem deutschen Mann nicht.«
»Ich verstehe«, heuchle ich reuevoll und versuche gleichzeitig, Dinas nächsten Vorstoß auf meinen Schritt zu parieren, was mir jedoch nicht wirklich gelingen will. »Aber ich studiere ja und habe
Weitere Kostenlose Bücher