Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
es von dem Gesicht eines Femtiten oder Talariten unterschied, war der Schnitt der Augen, die größer und länglicher waren, sowie die Nase. Die Assyten sahen aus wie wir , dachte er.
Aus irgendeinem Grund rührte ihn dieses zerstörte Gesicht, und er fiel schluchzend auf die Knie.
»Die Bildhauerei haben sie sehr geliebt«, hörte er Verbas Stimme.
Saiph fuhr herum. Verba stand mit verschränkten Armen hinter ihm. Offenbar hatte er ihn beobachtet, vielleicht schon eine ganze Weile.
»Und besonders liebten sie die Darstellung von Personen. Darin waren sie wahre Meister.« Verba deutete auf das steinere Gesicht. »Lief man nachts durch die nur vom Mond erhellten Straßen der Stadt, schienen diese Statuen lebendig zu werden. Tagsüber war die Stadt von lebendigen, nachts von steinernen Personen belebt.« Er trat gegen einen Stein am Boden. »Und jetzt ist nur noch das davon übrig.«
Saiph hatte sich wieder gefasst und deutete auf etwas, das wie eine weitere Skulptur aussah, die aus der Erde hervorragte. »Vielleicht auch noch mehr«, sagte er, während er darauf zutrat. Doch als der Schein seiner Fackel sie erfasste, stöhnte er: Es war ein schneeweißes Skelett, von dem nur der obere Teil zu erkennen war. Der Rest war mit dem Erdboden verschmolzen. Saiph hatte in seinem Leben schon viele Leichen und Skelette ansehen müssen, und so fielen ihm sofort die Unterschiede zwischen diesem und den Skeletten von Talariten oder Femtiten auf. Die Schädelknochen zogen sich tiefer in den Nacken hinunter, auch die dünnen Armknochen waren extrem lang, und der Brustkorb wies eine Vertiefung in Höhe der Lunge auf.
Verba kam näher, schüttelte dann den Kopf. »Komm, lass uns lieber zu unserem Schlafplatz zurückkehren.«
»Vielleicht sollten wir es verbrennen, aus Respekt vor dem Toten«, schlug Saiph leise vor.
»Nein, glaub mir, dem hat das Feuer gereicht, das Cetus vom Himmel gesandt hat. Alles, was einmal Fleisch, was einmal Blut, was Leben war, ist zu Fels erstarrt. Und genau das wird auch mit deinen Leuten geschehen, und es gibt nichts, was wir dagegen tun könnten.«
»Das ist nicht gesagt! Ich gebe nicht auf«, protestierte Saiph. »Das kann ich nicht. Vor allem nicht jetzt, da ich das alles gesehen habe.«
Zum ersten Mal seit Tagen lächelte Verba. Doch es war ein bitteres Lächeln. »Ich weiß«, sagte er. »Und ich wünschte, ich wäre noch wie du und könnte noch an eine bessere Zukunft glauben. Doch heute erhoffe ich mir nichts mehr, als mit euch zu gehen, wenn es geschieht. Ich bin es leid, alles zu überleben. Komm, lass uns endlich zurückgehen. Wir sollten ein wenig schlafen.«
39
D as königliche Gewand war prachtvoll: aus Gold- und Silbergarnen gewebt, mit einem Mieder, das mit Bändern und Spitzen verziert war, und einem duftigen Stufenrock. Drei Sklavinnen halfen Petra, es anzulegen. Während sie ihr die Bänder schnürten und den Rock in Form zupften, hatte die Gräfin den Eindruck, ihr Körper gehöre ihr nicht mehr. Allerdings war sie nie wirklich Herrin ihrer selbst gewesen. Nicht als kleines Mädchen, als sie noch in Larea als Spross einer alten Adelsfamilie gelebt hatte, die mit dem Tag ihrer Geburt bereits begonnen hatte, große Pläne für ihre Zukunft zu schmieden. Nicht als junge Braut, als sie ihr Zuhause verließ, um sich an Megassa zu binden, der sie dann wie einen Besitz behandelte, über den sich nach Belieben verfügen ließ, geradeso wie über den Ertrag eines Ackers oder ein Möbelstück in dem großen Palast, den sie bewohnten. Er war ein starker Mann, entschlossen und rücksichtslos: ihr Herr mehr als ihr Ehemann.
Nun setzte sie sich aufrecht hin, während eine Sklavin, die bereits der verstorbenen Königin in all den Jahren ihrer langen Regierungszeit gedient hatte, ihr Haar zur Krönungsfrisur kämmte. Frei zu sein, danach hatte es Petra im Grunde ihres Herzens eigentlich nie verlangt. Ihr genügten die Sicherheit ihrer Stellung, die Ruhe des Lesens, vor allem aber die Einsamkeit der Palastgärten, ein kostbares Gut in einer Welt der Höflinge und allgegenwärtigen Diener. Und gemessen daran, war die von ihr erwartete Fügsamkeit – zu erlernen, was man ihr zu lernen auftrug, mit Personen zu verkehren, die offenbar wichtig waren – ein Preis, den sie durchaus zu entrichten bereit war. Auch die beiden Schwangerschaften waren Teil ihrer Pflichten als Gräfin gewesen: Eine Frau in dieser Stellung hatte ihrem Gatten Kinder zu schenken, und das hatte sie getan.
Aus irgendeinem
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