Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
fertig war, trat Stille ein.
»Versteht ihr denn nicht? Sie hat nie in diesem Kloster gelebt. Sie ist erst hierhergeflohen, nachdem sich das alles zugetragen hat! Ihre Feinde sind auch unsere Feinde, sie kann eine wichtige Verbündete für uns sein«, versuchte es Talitha noch einmal.
Doch der Richter blickte sie aus kalten Augen an. »Megassa greift nach der Macht? Na wenn schon. Diese Priesterin Grele ist zur Kleinen Mutter geweiht worden? Warum nicht? Was hat das alles mit den Zielen unseres Kampfes zu tun? Und warum sollte diese Gefangene besser sein als ihre Mitangeklagten?«
»Ich kenne sie!«, schrie Talitha. »Und ich schwöre bei allen Göttern, dass sie das friedlichste Wesen ist, das man sich nur vorstellen kann. Ich habe nie gesehen, dass sie auch nur einen Finger gegen einen Femtiten erhoben hätte. Ihre Sklavin war wie eine Freundin für sie.«
»Hast du denn auch gesehen, dass sie dagegen protestiert hat, wenn Sklaven geschlagen, ausgehungert, gefoltert wurden? Hast du miterlebt, dass sie sich für unsere Rechte eingesetzt hat?«
»Es war unmöglich, sich aufzulehnen«, antwortete Talitha leise. »Auch wir Novizinnen wurden wie Gefangene gehalten und …«
»Jetzt reicht’s!«, donnerte der Richter, und seine Stimme hallte im ganzen Tempel wider. »Du willst wohl auch auf der Anklagebank Platz nehmen. Merkst du nicht, dass du dich selbst indirekt der gleichen Verbrechen beschuldigst, wie sie diese Angehörigen deiner Rasse dort begangen haben? Bei allem Respekt vor Gerner, aber es ist und bleibt unnatürlich, dass eine Talaritin in unseren Reihen kämpft.«
Ein empörtes Murren durchlief die Zuhörer. Fast alle hatten Seite an Seite mit Talitha gekämpft, und vielen hatte sie das Leben gerettet. Einige standen auf und baten ums Wort, doch der Vorsitzende verweigerte es ihnen und hob beschwichtigend die Hände, zum Zeichen, dass er zu weit gegangen war. »Schon gut«, sagte er, »ich gebe zu, diese mit euch verbündete Talaritin nicht gut genug zu kennen, um ihre Absichten beurteilen zu können. Dennoch sollte sie sich gut überlegen, für wen sie Partei ergreift.«
Der donnernde Applaus, der seinen Worten folgte, war für Talitha schmerzlicher als ein Messerstich. Während sich die Ältesten zur Beratung zurückzogen, verließ sie mit gesenktem Kopf den Raum, zog sich in ihre Unterkunft zurück und schloss sich ein.
Ein paar Stunden später teilte Melkise ihr mit, wie das Urteil ausgefallen war. Auch er war bestürzt, denn von seinem frechen Lächeln war nichts mehr geblieben.
»Ich hab keine guten Neuigkeiten«, sagte er.
Talitha saß auf dem Fußboden, die Arme um die Knie gelegt. Melkises Worte schienen sie kaum zu berühren, sie hatte es nicht anders erwartet. »Wie lautet das Urteil für Kora?«
»Es ist für alle gleich. Sie werden ausgepeitscht und dann verbrannt.«
Maßloser Zorn packte Talitha. »Aber Kora ist unschuldig«, rief sie und hielt mühsam die Tränen zurück, »und viele der anderen wahrscheinlich auch. Das ist ungerecht … so schrecklich ungerecht!«
»Ich weiß. Aber das ist allen egal. Nur dir nicht.«
Talitha hob ein wenig den Kopf. »Was ist nur aus uns geworden?«, murmelte sie.
Melkise nahm sie in den Arm, und mit dem Kopf an seiner Brust weinte sie hemmungslos.
38
A ls Saiph wieder zu sich kam, behandelte Verba bereits seine Wunden. »Ich muss sie gut säubern«, sagte er. »Das Blut des Monsters ist ätzend, aber zum Glück handelt es sich um keine starke Säure. Ein guter Heilzauber, und bald müsste es wieder gehen.«
Saiph war noch völlig erschöpft und betrachtete erstaunt den Kadaver des Riesenwurms auf dem Sand. Unglaublich, dass er ihn mit dem Schwert durchbohrt hatte. Das hätte ihn das Leben kosten können.
Die Schmerzen klangen, nachdem Verba ihn verbunden hatte, rasch ab und machten einem wohltuend frischen Gefühl Platz.
»Und wie geht es dir?«, fragte er Verba.
»Ganz gut. Mir brummt noch etwas der Schädel. Aber dass ich nicht im Bauch dieses Wurms gelandet bin, habe ich nur dir zu verdanken.«
»Ach, wahrscheinlich hättest du dich auch ohne mich wehren können«, sagte Saiph bescheiden, »im Grunde bist du doch unsterblich.«
»N un, ich wüsste nicht, wie ich meine Einzelteile wieder zu sammensetzen sollte, wenn mich so ein Untier mal verspeist.«
»Trotzdem musst du dich nicht bei mir bedanken, sondern bei ihr«, erklärte Saiph und deutete mit einer Kopfbewegung auf Kalatwa, die nur ein wenig die Flügel bewegte und sie mit
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