Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Köpfen und in der Mitte die Kutsche, in der sie zum Fuß des Talareths fahren würde.
Auch ihr Gatte war da, das Haupt geneigt, wie es das Protokoll vorschrieb. Einen Augenblick ließ sich Petra von einem verlockenden Gedanken reizen: Jetzt, da sie Königin wurde, könnte sie eigentlich das tun, was ihr gefallen hätte: sich dieses Mannes entledigen oder einfach fortgehen, wie es ihre Tochter getan hatte. Doch so schnell, wie dieser Gedanke gekommen war, verwarf sie ihn wieder: Selbst wenn man sie zur Königin krönte, war er es doch, der König wurde.
Die Mutter des Sommers führte die Zeremonie durch, in Begleitung von Grele, die sich nur einen Schritt hinter ihr hielt, um allen ihren Platz in der Hierarchie deutlich zu machen. Die Atmosphäre war angespannt und nicht nur von Freude, sondern auch von Furcht gezeichnet. Petra war im Reich allgemein beliebt. Schön, immer lächelnd, immer freundlich, erfüllte sie das Bild einer perfekten Edeldame, aber viele hegten den Verdacht, dass der Tod von Königin Aruna kein natürlicher gewesen war. Dennoch spendete man ihr einen warmen Applaus, und das Festbankett, das sich an die Zeremonie anschloss, ließ für einige Stunden all die Sorgen und Nöte dieser unruhigen Zeit vergessen.
Petra tat, was von ihr erwartet wurde: Sie verschenkte ihr Lächeln, nahm Glückwünsche entgegen und hielt eine Rede, in der sie dem Land Wohlergehen und Wachstum versprach. »Natürlich nur mit Hilfe meines Gemahls, der wie kein anderer um die Sicherheit Talarias besorgt ist«, schloss sie, wobei sie mit einem wohlwollenden Lächeln auf ihren Mann deutete. Und alle applaudierten, stürmischer als zuvor.
Für Grele, die im Halbdunkel der Königin lauschte, fehlte es in ihren Worten an echter Begeisterung, und sie begriff, dass Petra das Geschick ihres Reichs eigentlich nicht am Herzen lag. Das beunruhigte sie, auch wenn Megassa, als sie ihm davon erzählte, ihre Befürchtung mit einem Lachen abtat. »Sie wird tun, was sie zu tun hat«, sagte er. »Ich weiß schon, wie ich meine Investition in die Zukunft lenken muss.«
»Vielleicht dachtet Ihr das bei Eurer Tochter auch …«
Megassa funkelte sie böse an. Grele erschrak, und ein langer Schauer lief ihr über den Rücken. In diesem Blick erkannte sie Mordgedanken, die sie schon bei anderen Gelegenheiten bemerkt hatte und die sie jedes Mal zutiefst beunruhigten.
»Zweifelst du etwa an meinen Fähigkeiten?«, zischte der Graf.
»Nein, ganz und gar nicht … ich wollte … Euch nur warnen«, erwiderte Grele. »Doch mein Argwohn ist unpassend an diesem Tag Eures großen Triumphes. Jetzt habt Ihr erreicht, wonach Euch immer verlangt hat«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu.
Megassa trank einen Schluck aus seinem Glas. »Glaubst du das wirklich?«
Grele war verwirrt. »Nun, das Reich des Sommers ist in Eurer Hand.«
»Glaubst du wirklich, ich würde mich mit so wenig zufriedengeben? Das wäre so, als würdest du sagen: Mir reicht es, Kleine Mutter geworden zu sein.«
»Aber es ist eine große Ehre für mich …«, sagte Grele zaghaft.
»Lass diesen Unsinn: Du redest mit mir, nicht mit einem deiner Untergebenen«, unterbrach der Graf sie. »Ich habe beobachtet, wie du die Mutter des Sommers angeschaut hast. Ihr Stuhl ist dein nächstes Ziel.«
Die Maske, die ihr Gesicht halb verdeckte, ließ Greles Lächeln noch böser wirken. »Mag sein … Aber Ihr, was habt Ihr vor?«
» Im Moment gar nichts, aber in Zukunft …« Megassa stellte sein Glas ab und sah sie mit glänzenden Augen an. »Der Krieg verändert alles, Grele. Die alten Ränge, die alten Grenzen, sie bedeuten nichts mehr. Was zählt, ist nur noch, ob ein Herrscher sein Volk beschützen kann oder nicht. Wenn dieser Krieg beendet ist und ich ihn gewonnen habe, werde ich das für mich beanspruchen, was mir zusteht.«
»Und das wäre?«, fragte Grele, beeindruckt von den Visionen dieses Mannes.
»Alles«, antwortete Megassa trocken, und fuhr fort, wobei er jedes Wort betonte: »Dann wird Talaria nur noch ein großes Reich sein und ich sein unumschränkter Herrscher.«
Dabei lächelte er das Lächeln eines Raubtiers, das bereits das Blut der nächsten Beute geleckt hatte.
40
S orgfältig bereitete Talitha alles vor, schärfte ihr Schwert, polierte ihren Dolch, trug den wenigen Proviant zusammen, den sie brauchen würde. Es war wichtig, kühlen Kopf zu bewahren, alles gut zu planen, doch konnte sie nicht verhindern, dass der Zorn ihren Geist trübte.
Schließlich hockte
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