Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
sie sich in eine Ecke ihrer Unterkunft, die ihr so eng wie eine Kerkerzelle vorkam, und wartete. Zäh verstrichen die Stunden, und als es endlich tiefe Nacht war, trat sie hinaus und schlug den Weg zum Fuße des Talareths ein.
Sie nahm den Schacht des Lastenaufzugs, so wie bei der Eroberung des Klosters Letora, und während sie keuchend die Strickleiter hinaufkletterte, dachte sie an den Aufstieg zurück, der erst wenige Tage zurücklag. Wie hatte sie darauf gebrannt, sich in den Kampf zu stürzen, diese verfluchte Priesterkaste zu bestrafen … Und nun setzte sie alles aufs Spiel, nur um rückgängig zu machen, was sie errungen hatte.
Die Geschichte meines Lebens , sagte sie sich.
Und sie dachte daran, wie oft sie schon hatte kehrtmachen müssen, wie viele Fehler sie bereits begangen hatte. Gern hätte sie daran geglaubt, dass es von nun an anders sein würde, doch eigentlich konnte sie sich eine Zukunft, die hinter dieser Nacht lag, nicht mehr vorstellen.
Sie stemmte sich auf die Plattform und erreichte die Tür, die zur höchsten Plattform des Klosters führte. Vorsichtig öffnete sie sie. Alles war leer. Die Rebellen hielten sich unten in Letora auf, und das Kloster war nur noch ein großes Gefängnis. Aber bald würde es selbst das nicht mehr sein, nämlich wenn man es anderntags anzünden und mit allen Gefangenen darin niederbrennen würde.
Aber nur, wenn ich scheitere , versuchte Talitha sich selbst Mut zu machen. Geschwind überquerte sie den Platz und erreichte die Kerkerzellen. Vor dem Gang standen vier Soldaten und starrten in die Dunkelheit. Die Wachen waren verdoppelt worden, obwohl eine Flucht der Priester höchst unwahrscheinlich war: Die Kombattanten waren alle getötet worden und nur ältere Priester und verschreckte Novizen übrig geblieben.
Talitha trat an die Wachen heran. Einer der Rebellen erkannte sie und lächelte ihr zu. »Talitha, was machst du denn hier? Du weißt doch, wir haben Befehl …« Noch bevor er den Satz beenden konnte, hatte sie das Schwert gezogen.
»Ich will euch nichts tun«, sagte sie. »Keinem von euch. Ich habe es satt, Blut fließen zu sehen. Aber ihr müsst mich vorbeilassen.«
»Du hast wohl zu viel getrunken, Talitha«, erwiderte einer der anderen Wachposten. »Geh, leg dich schlafen.«
»Bitte, tut, was ich sage. Ich habe keine Lust gegen euch zu kämpfen.«
»Leg das Schwert nieder, Talitha«, mischte sich der erste Rebell wieder ein und zog seine Waffe. »Steck es zurück, oder wir müssen dich auch einsperren.«
Talitha seufzte. Sie hatte keine andere Wahl. Für Zaudern und Zweifel war keine Zeit mehr. Sie griff an und wirbelte Verbas Schwert herum.
Den ersten Wächter durchbohrte sie, ohne dass er auch nur einen Laut von sich geben konnte. Sofort stürzten sich die anderen mit Gebrüll auf sie. Doch Talitha kämpfte entschlossen und mit tödlicher Präzision wie in der Schlacht bei den Minen. Kurz darauf hatte sie zwei weitere Wächter erstochen, während sich der vierte hinter einer Tür verschanzte. Sie trat sie auf, schlug zu und enthauptete den Mann. Nur wenige Augenblicke waren vergangen, und vier Femtiten lagen tot am Boden, Männer, für die sie wenige Tage zuvor noch ihr Leben gegeben hätte. Einem der Rebellen löste sie den Schlüsselbund vom Gürtel und öffnete nacheinander alle Zellen. Vom Kampfeslärm aufgeschreckt, waren die Gefangenen hellwach. Einige weinten vor Angst.
»Los, raus, bewegt euch!«, schrie Talitha.
»Aber wir sind erst morgen dran«, kreischte ein Novize.
»Ich befreie euch, du Idiot«, knurrte Talitha. »Los, raus!«
Sie strömten aus den Zellen und sammelten sich unentschlossen im Gang.
»Haut ab, schnell!«, schrie Talitha wieder. »Nehmt die Treppe und die Lastenaufzüge. Bald wird es hier von Femtiten nur so wimmeln. Die schneiden euch die Kehle durch. Also bewegt euch!«
Der Novize, der gerade noch gekreischt hatte, nahm als Erster die Beine in die Hand. Die anderen taten es ihm nach und flohen in alle Richtungen. Der Letzte war der Kleine Vater. Bevor er sich davonmachte, wandte er sich zu Talitha und ergriff ihre Hand. »Ich weiß nicht, warum du das tust, aber unser Gott Man segne dich.«
»Für mich kommt sein Segen zu spät«, antwortete sie und sperrte die letzte Tür auf.
Kora kniete vor dem kleinen Fenster und betete. Sie schrak zusammen, als sie die Tür hörte, und schaute die Gestalt, die da auf der Schwelle stand, ängstlich an. Dann erkannte sie sie: »Talitha!«
»Komm, steh auf, ich bringe
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