Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
hatte sich beruhigt, die Zeit lief wieder mit normaler Geschwindigkeit, und sanft schlug sie die Decke zurück, umarmte ihn von hinten und drückte sich an ihn. Im langsamen Rhythmus seiner Atemzüge, mit dem Geruch seiner Haut in der Nase schlummerte sie ein.
So fand Saiph sie liegen, als er in die Hütte zurückkehrte.
Er erstarrte und konnte nicht einmal mehr atmen.
Erschüttert stand er einige Augenblicke da und betrachtete sie. Auf einen Schlag ging alles entzwei, was sein ganzes Leben ausgemacht hatte, und würde sich nie mehr zusammenfügen. Tief in seinem Herzen brach etwas für immer. Er nahm den Quersack, den er auf Grifs Lager abgelegt hatte, und verschwand im fahlen Licht des neuen Morgens.
Mit dem eigenartigen Gefühl, nicht allein im Bett zu liegen, wachte Melkise auf. Er irrte sich nicht. Neben ihm schlief Talitha und hielt ihn immer noch im Arm. Er konnte es nicht fassen. Nur ganz verschwommen erinnerte er sich, was in der Nacht geschehen war. Wozu hatte er sich hinreißen lassen? Da bemerkte er, dass Talitha noch vollständig bekleidet war, und erleichtert atmete er auf. Er hatte das Mädchen ins Herz geschlossen und nicht die Absicht, etwas zu tun, was sie verletzen konnte. So löste er sich aus ihren Armen, stand auf und streckte sich. Sein Schädel brummte, und er hatte einen widerlichen Geschmack im Mund. Dem Purpursaft hatte er zu eifrig zugesprochen.
Er schaute auf Talitha hinab. So fest, wie sie schlief, hatte sie es mit dem Trinken ebenfalls übertrieben. Erst als er sich umdrehte, fiel ihm auf, dass Saiphs Sachen fehlten. Er begriff, was vorgefallen war. Wütend auf sich selbst verließ er mit großen Schritten die Hütte.
Er fand ihn, wo er ihn vermutet hatte, in der Grotte am Seeufer. Saiph packte gerade seinen Quersack neu, nach den wenigen Stunden Schlaf, die er sich gegönnt hatte.
»Was hast du vor?«, fragte Melkise ihn.
Überrascht fuhr Saiph herum, war aber sofort wieder Herr seiner Sinne. »Ich mache mich auf den Weg«, antwortete er.
Melkise hatte ihn noch nie mit solch trauriger Miene gesehen. »Was glaubst du, wie Talitha reagieren wird, wenn sie merkt, dass du ohne ein Wort fort bist?«
»Ich denke nicht, dass sie mich sehr vermissen wird. Und das ist auch gut so, ich will euch nicht zur Last fallen«, sagte Saiph und wandte errötend den Blick ab.
Melkise schüttelte den Kopf. »Nicht dass es dich etwas anginge, aber zwischen Talitha und mir ist nichts passiert – falls das ein Problem für dich sein sollte.«
Saiph ließ den Quersack fallen und trat so nahe an ihn heran, dass sein Körper fast Melkises Brust streifte. Er bebte vor Zorn. »Ich habe selbst gesehen, dass ihr zusammen im Bett gelegen habt. Nennst du das etwa ›nichts‹?«
»Wir waren betrunken und sind zusammen eingeschlafen«, erklärte Melkise. »Mehr war nicht. Wenn sie aufwacht, wird sie sich überhaupt nicht mehr daran erinnern.«
Saiph verzog das Gesicht zu einem bitteren Lächeln. »Vielleicht hast du sie nicht so genau beobachtet. Oder warum willst du nicht bemerkt haben, wie sie dich anschaut? Ich jedenfalls habe es gesehen.«
Da erinnerte sich Melkise wieder, was letzte Nacht mit Talitha geschehen war und wie sie sich auf dem Boot geküsst hatten. »Tut mir leid, mag sein, dass sie sich ein wenig verguckt hat – wie das bei jungen Mädchen schon mal vorkommt. Aber glaub mir, Saiph, das ist auch schnell wieder vorbei. Das Problem ist wohl eher, dass ihr nicht klar ist, dass du in sie verliebt bist.«
»Ich bin nicht in sie verliebt!«, protestierte Saiph, doch seine Stimme klang falsch, selbst in seinen eigenen Ohren.
»Wenn du etwas für sie empfindest, musst du ihr das sagen, anstatt wie ein Feigling davonzulaufen«, sagte Melkise.
Saiph schaute ihn einige Augenblicke schweigend an und packte dann weiter seine Sachen. Als er wieder sprach, klang seine Stimme fest: »Ich laufe nicht davon. Ich hatte mir geschworen, dass ich bei ihr bleiben würde, solange sie mich braucht. Diese Zeit ist nun vorbei. Sie braucht mich nicht mehr.«
»Da irrst du dich.«
»Nein, ich irre mich nicht. Wenn ich all die Jahre, ohne etwas zu verlangen, an ihrer Seite gelebt und mich mit den Brosamen ihrer Zuneigung begnügt habe, dann nur, weil ich gespürt habe, dass sie mich braucht, dass sie ohne mich nicht zurechtkommt. Für Talitha würde ich alles tun, wirklich alles, egal was es sein mag, verstehst du?«
»Ja, natürlich«, murmelte Melkise.
»Aber während ich im Verbotenen Wald nach dem
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