Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
dass Saiph erst einmal Grifs Platz einnehmen würde, musterte er Saiph einige Augenblicke, lächelte dann und schlug ihm kräftig auf die Schultern. »Ich freue mich, dass du wohlbehalten zurück bist. Wirklich schön, dich wiedersehen. Ob du es glaubst oder nicht, du hast mir immer schon gefallen.« Und er bekräftigte seine Worte mit einem leutseligen Lachen. »Nun, hast du den Ketzer gefunden?«
»Ich war kurz davor«, antwortete Saiph zurückhaltend.
Talitha und Melkise brachten ihn in die Hütte. Sie beschlossen, dass es sicherer wäre, wenn er sich dort bis zum Einbruch der Dunkelheit versteckt halten und erst dann herauskommen sollte. Dann griffen die beiden zu ihren Schwertern und traten auf den Platz vor der Baracke, um ein wenig zu trainieren. Durch einen Schlitz zwischen den Brettern sah Saiph ihnen zu. Talitha schien glücklich, lachte. Die beiden kommunizierten so eingespielt und harmonisch mit ihren Klingen, als führten sie eine geistreiche Unterhaltung. Und er fühlte sich vollkommen ausgeschlossen. Als er mit ihr zusammen gewesen war, hatte er sie nie so ausgelassen lachen hören.
Nach Sonnenuntergang wurde auf dem Platz in der Dorfmitte ein großes Feuer entzündet, und alle Rebellen versammelten sich fröhlich darum herum. Das Essen war besser und sorgfältiger zubereitet, als sie es gewohnt waren, und irgendwann holte jemand eine Laute hervor und begann, Lieder in der Femtitensprache vorzutragen. Talitha hatte gerade erst begonnen, diese Sprache zu erlernen, konnte aber immerhin schon den Sinn der Texte erfassen. Bald stimmten alle ein und klatschten dazu im Takt. Dann stießen sie mit Purpursaft in den verschiedensten Zubereitungen an und tranken, bis alle ein wenig berauscht waren. Auch Talitha hatte vom Alkohol gerötete Wangen, während Melkise einen Kelch nach dem anderen hinunterkippte, ohne dass man es ihm irgendwie angemerkt hätte.
Weil bald schon alle vor Trunkenheit nicht mehr würden zuhören können, erhob sich Eshar irgendwann und bat um Ruhe. Er sprach im Namen des Rebellenkommandos: »Dieses Fest habt ihr euch redlich verdient. Ich weiß, dass ihr euch amüsieren wollt, und ich werde euch auch tanzen lassen, so lange euch die Füße noch tragen. Aber zuvor habe ich euch im Namen des Kommandos noch folgende Mitteilung zu machen.« Nach dem ungeheuren Erfolg der Befreiung der Minen habe man beschlossen, sich von der Welle der Begeisterung tragen zu lassen, um gleich den nächsten großen Sieg zu erringen. Dazu sei es jedoch notwendig, landeinwärts Richtung Talaria zu ziehen. »Im Reich des Winters regiert das Chaos. Die Mine, die wir befreit haben, ist nunmehr verlassen. Dort werden wir uns einrichten und von dort die nächsten Schläge führen und das Reich des Winters angreifen. Unser Ziel heißt Galata.«
Die Rebellen applaudierten und pfiffen.
»Die Hauptstadt?«, rief Melkise erstaunt.
Talitha nickte. »Stell dir mal vor, welche Wirkung das auf die Moral der Talariten haben wird, wenn es uns gelingen sollte, eine so wichtige Stadt einzunehmen … Das würde das Gesicht dieses Krieges völlig verändern.«
Saiph, der sich mit vermummtem Gesicht, unerkannt unter den feiernden Rebellen, etwas abseits hielt, trat zu Talitha. »Ich muss mit dir reden«, sagte er.
»Muss das jetzt sein?«, fragte sie genervt.
»Ja, das muss es.«
Sie entfernten sich einige Schritte. »Du hast doch hoffentlich nicht vor, dich auch noch diesem Unternehmen anzuschließen, oder?«, sagte Saiph, als er sicher war, dass niemand ihre Unterhaltung hören würde.
Talitha starrte auf ihre Hände. »So lange wird das nicht dauern. Vielleicht nur ein paar Tage. Ein großer Angriff … Die Wüste läuft uns schon nicht davon. Und Verba auch nicht.«
»Aber die Zeit drängt … Die heftigen Regenfälle treten immer öfter auf, und hier im Norden hat es früher überhaupt nie geregnet.«
»Nur ein paar Tage, Saiph.«
»Um eine ganze Stadt zu erobern? Und wenn ihr sie in Schutt und Asche legt, weißt du, wen ihr damit treffen werdet? Zivilisten. Frauen und Kinder«, erwiderte er aufgebracht.
Talitha biss die Zähne zusammen, und ganz kurz und flüchtig funkelte etwas in ihrem Blick auf: der Anflug eines Zweifels, Angst vielleicht auch, genau das, was Saiph in all den Jahren so an ihr geliebt hatte. Doch dann stieß sie hervor: »Wir sind Rebellen, keine Schlächter! Aber sollte der ein oder andere Zivilist zwischen die Fronten geraten und dabei draufgehen … so ist nun mal der Krieg.«
Saiph
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