Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
nun einmal der unwandelbare Lauf der Dinge sei. Nun aber hatte der Wind der Rebellion auch Palena erfasst. Und so entriss ein Sklave dem Henker den Strafstock und schlug den Mann damit nieder.
Nach einem Moment erstaunter Stille schrien die Femtiten wie aus einer Kehle auf, jeder griff zu irgendwelchen Gerätschaften, die als Waffe verwenden werden konnten, und zusammen erstürmten sie das Herrenhaus.
Zwar waren die Gardisten sofort zur Stelle, aber es waren zu wenige. Zudem waren sie ausgezehrt von vorherigen Kämpfen und vom Hunger. Denn erneute Überschwemmungen, so verheerend, wie man sie noch nie erlebt hatte, hatten die Ernte in weiten Teilen vernichtet. Die Gardisten kämpften für einen erbärmlichen Sold und eine Verpflegung, mit der sie sich gerade einmal auf den Beinen halten konnten, die Femtiten aber kämpften um ihr Leben. Die jahrelangen Entbehrungen und Demütigungen hatten sie hart gemacht. Und so mähten sie die Soldaten nieder, bis zum letzten Mann.
Die talaritischen Einwohner des Ortes saßen in ihren zugesperrten Häusern, versteckt in Kellern, verbarrikadiert hinter zweifach verriegelten Türen in den sichersten Räumen ihrer Behausungen, während die Rebellen plünderten, Feuer legten, töteten, in einem Rausch der Zerstörung, der vor nichts haltmachte, getrieben von dem Verlangen, mit Feuer die ganze Stadt von jeglichen Spuren talaritischen Lebens zu reinigen. Und während sich der berechtigte Wunsch nach Freiheit in reine Mordlust verwandelte, organisierten sich die Femtiten und schufen neue Institutionen, die die Stadt verwalten sollten. Es gab einen Stadtrat, der im Palast des betagten Grafen zusammenkam, dessen Kopf schon am ersten Tag des Aufstands aufgespießt an der Stadtmauer gehangen hatte.
Nun kniete dessen Frau, wie durch ein Wunder dem Gemetzel entkommen, vor dem Grafen Megassa, zerzaust und mit eingefallenem Gesicht, nur noch ein Schatten der reichen, hochmütigen Edeldame, die sie einmal gewesen war. Die Schwester eines mächtigen Grafen aus dem Reich des Winters, mit dem Megassa lange Zeit enge Beziehungen unterhalten hatte, wir kte nur noch wie eine bedauernswerte Kreatur aus dem niedersten Volk. Sie vergaß die von ihrem Rang erwartete Haltung und flehte um Rettung.
Graf Megassa hatte sich, kaum war ihm die Kunde von den V orgängen in Palena zu Ohren gekommen, sofort auf den Weg dorthin gemacht und mit seinen Soldaten in einem Landgut, das er kurzerhand beschlagnahmte, sein Lager aufgeschlagen.
Er hörte sich an, was die Frau ihm erzählte, eine Geschichte von Angst, Tod und Verzweiflung, wie er sie in jüngster Zeit unzählige Male gehört hatte. Dann streckte er, mit verständnisvoller Miene, die Hände zu ihr aus und hieß sie aufstehen.
»Ich werde alles tun, um eure Stadt zu retten, Gräfin. Jedes Talaritenleben zählt für mich gleich viel, mag es das eines Königs oder das einer mutigen Edeldame aus einer Grenzstadt sein.«
Die Augen der Frau füllten sich mit Tränen, während sich ihre Lippen endlich zu einem erschöpften Lächeln verzogen. »Ich danke Euch, Graf.«
Megassas Blick verhärtete sich. »In gleichem Maße kennt mein Hass auf den Femtitenabschaum keine Grenzen. Ich werde diese Brut bekämpfen und auslöschen, bis auch der letzte Sklave für seine Dreistigkeit mit dem Leben bezahlt hat.«
Die Frau drückte ihm beide Hände. »Wäre nur unsere Königin ebenso entschlossen wie ihr …«, seufzte sie.
»Eben deswegen hat Ihre Majestät mich entsandt«, antwortete Megassa mit einem Lächeln falscher Bescheidenheit. Dann gab er seinem Adjutanten ein Zeichen. »Porfio, führe die Gräfin in mein Quartier, stelle ihr einige Sklaven zur Verfügung und trage dafür Sorge, dass es ihr an nichts fehlt.«
Porfio trat vor und verneigte sich vor der Frau, die sich mit ihm entfernte und dabei Megassa bewundernd anblickte. Der Graf lächelte in Vorfreude auf den bevorstehenden Kampf.
Im Morgengrauen fielen Megassas Verbände über die Stadt her wie ein wildes Tier über seine Beute. Die Soldaten der Garden waren stark, austrainiert und in bester Verfassung, ihr Angriff kompakt und entschlossen. Einen Großteil seiner Mittel, die früher einmal dem Palast zur Verfügung standen, wandte Megassas nun für diese Truppen auf. Sogar seine Frau hatte auf allzu luxuriöse Mahle und ihre zwei täglichen Bäder verzichten müssen. Gewiss, die Gardisten kämpften gegen ein Heer von Hungerleidern, aber es waren Hungerleider, die um ihr Leben und für ihre Freiheit
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