Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
erstarrte angesichts ihrer eiskalten Miene. »Nein … das kann nicht dein Ernst sein. Das glaube ich einfach nicht.«
Talitha schnaubte. »Genau das ist dein Problem: Du glaubst nicht . Du glaubst nicht an diese Leute, glaubst nicht an ihren Kampf, aber vor allem glaubst du nicht an mich. Du denkst immer noch, ich wüsste nicht, was ich wirklich will, und dass ich nicht in der Lage bin, eine Entscheidung für mich zu treffen. Aber ich bin reifer geworden, ich habe große Kämpfe ausgetragen, und das hat mich verändert.«
»Ja, das stimmt, du bist anders geworden. Die Talitha, die ich kannte, hätte niemals solche Dinge gesagt. Du willst mir also weismachen, das Töten hätte deinen Charakter verbessert. Das ist doch verrückt. Erinnerst du dich nicht mehr, wie du dich gefühlt hast, als du zum ersten Mal getötet hast, diesen Soldaten damals, zu Beginn unserer Flucht? Doch, bestimmt erinnerst du dich, und im Grunde bist du immer noch dieses Mädchen von damals, so vehement du das auch leugnen magst. Aber du wirst dir nur selbst wehtun, wenn du diesen Teil von dir unterdrückst. Ich weiß es, ich kenne dich so gut. Zehn Jahre bin ich schon an deiner Seite.«
»Vielleicht hat die lange Zeit dennoch nicht gereicht, um mich richtig kennenzulernen. Seit noch nicht einmal einem Monat lebt Melkise an meiner Seite, aber er hat bereits erkannt, wer ich bin und was ich wirklich will.«
Wieder bohrte sich dieser eiskalte Stachel in Saiphs Herz, und diesmal blieb er stecken. »Tut mir leid, dass ich dich nicht mehr verstehe«, sagte er schroff. »Aber wenn wir diese Welt retten wollen, müssen wir Verba suchen. Also, bist du bereit, mit mir zum Namenlosen Ort zu reisen oder nicht?«
Talitha schaute Saiph fest in die Augen: »Erst nach der nächsten Schlacht.«
Saiph antwortete nicht. Aber sein enttäuschter, verbitterter Blick sagte alles.
»Gut, dann ist das ja geklärt«, beendete Talitha das Gespräch. »Wenn du erlaubst, werde ich jetzt mit den anderen den Sieg in der Schlacht feiern, an der du nicht teilgenommen hast.«
Und damit entfernte sie sich, tauchte ein in die Menge, die Musik, den fröhlichen Trubel. Während Saiph ihr nachschaute, wie sie im Wirbel der Tänze verschwand, begriff er, dass er sie verlor.
24
T alitha kehrte zu den Feiernden zurück, hatte aber große Mühe, sich zu entspannen und das Gespräch mit Saiph zu vergessen. Es tat ihr leid, ihn so abweisend behandelt zu haben, aber er sollte begreifen, dass sie nicht mehr das kleine, verzogene Mädchen war. Widerstreitende Gefühle wühlten sie auf: Sie ertrug es nicht, dass er ihre Art kritisierte, und sie freute sich, dass er zurück war. Er hatte ihr gefehlt, sehr sogar – gestand sie sich ein, während sie so dasaß, in die Hände klatschte und ein paar Strophen eines Femtitenliedes mitzusingen versuchte, das sie bereits kannte.
Da tauchte Melkise mit einer halbleeren Flasche Purpursaft in der Hand neben ihr auf. »Na, willst du nicht tanzen?«, schrie er ihr ins Ohr. Sein Atem roch leicht nach Alkohol, und seine Augen glänzten.
»Ich war immer schlecht im Tanzunterricht zu Hause im Palast«, schrie sie zurück.
»Aber das hat doch nichts mit den gezierten Tänzen zu tun, die man euch jungen Edeldamen beibringen wollte. Hier ist der Pöbel Talarias versammelt, hier tanzt jeder, wie er Lust hat, Hauptsache, man bewegt sich!« Und damit kniete er vor ihr nieder, schwang die Hand in einem eleganten Bogen durch die Luft und reichte sie ihr. »Erweist Ihr mir die Ehre dieses Tanzes?«, fragte er.
Der Lautenspieler hatte ein besonders ausgelassenes Lied angestimmt, das die Femtiten, mittlerweile fast alle betrunken, aus voller Kehle mitgrölten. Talitha lachte verlegen und zierte sich heftig, doch Melkise ergriff einfach ihren Arm.
So stürzten sie sich in den Trubel und drehten sich wie wild im Kreise. Es war ein Tanz, den Talitha bei den Sklaven im Palast ihres Vaters gesehen hatte. Einige Male hatte sie sogar mitgetanzt, an Saiphs Seite, der das Tanzen eigentlich hasste und sich nur widerwillig, unter Zwang, darauf einließ. Ungelenk und hölzern waren sie herumgehopst, hatten sich auf die Füße getreten und waren zum Schluss fast immer am Boden gelandet, aber genau dieses Durcheinander, für das sie sorgten, hatte die Sache auch so vergnüglich gemacht.
Melkise war vollkommen anders. Er besaß eine bewundernswerte Körperbeherrschung und führte sie so gekonnt, dass Talitha sich ihm ganz überlassen musste. Um sie herum wirbelte und
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